Kriegerseelen
und sah mit schreckensgeweiteten Augen auf dieses zweifellos abstruse Schauspiel.
»Bleib weg«, rief Ivy ihr zu und versuchte sie mit einer Handbewegung dazu zu bringen, dass sie draußen blieb. Und tatsächlich, die Frau trat zurück. Sie war überfordert mit derlei Gefühlsausbrüchen. Gewalt kannte sie nur von den Wächtern, untereinander waren sich die Bewohner der unterirdischen Stadt stets emotionslos, aber friedlich begegnet.
Lili hielt sich immer noch die Seite und kämpfte sich aus dem Gewirr um sich schlagender Gliedmaßen zur Tür. Der blonde Krieger kam nicht auf die Beine. Schnell schob Lili Ivy zur Tür hinaus und folgte ihr. Von außen zog sie zu, hatte jedoch wenig Hoffnung, dass das die entfesselte Energie, die hinter ihr tobte, lange aufhielt.
Die Ärztin kämpfte gegen den aufsteigenden Brechreiz. Wie ätzende Säure kroch der Inhalt ihres Magens ihre Kehle hoch. Wenn die Männer nicht bald zurückkamen, hatte sie keine Hoffnung mehr. Niemand konnte sagen, was dieser erneute Ausbruch mit Storm anstellte. Lili befürchtete, dass der Chip jeden Moment explodieren konnte. Nackte Angst kroch ihre Wirbelsäule entlang und sie schluchzte verzweifelt auf.
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36. Kapitel
Der Trakt war dunkel und roch modrig. Juno hatte Dr. Abramovic fest im Griff. Seinen linken Unterarm nach hinten gedreht und nach oben gezogen, jammerte er leise vor sich hin, ging aber brav vor ihr her. Thorn und Thunder sicherten das Ende der sich schnell fortbewegenden Gruppe. Valentin war losgezogen, um Jay und Tyron zu informieren. Tristan führte sie an, der Handcomputer, den Val ihm überlassen hatte, zeigte ihm den Weg.
Tristan stieß die Tür zu einem kleinen Raum auf und tastete nach einem Lichtschalter. Sofort flammte eine Leuchtstoffröhre auf und tauchte das Zimmer in kaltes Licht. Leider konnte man jetzt auch sehen, wie verwahrlost dieser Teil der Anlage war. Schimmel hatte die Wände erobert und die kalte feuchte Luft machte es einem schwer zu atmen. In einer Ecke standen ein paar Stühle aufeinandergestapelt, ansonsten war das Zimmer leer. Irgendwie wirkte alles sehr bedrückend und fehlende Fenster machten das Ganze nicht besser. Juno fröstelte ein wenig. Sie war noch nie hier unten gewesen, da Prokojev es geflissentlich vermieden hatte, ihr die unschönen Seiten seines Herrschaftsbereiches zu zeigen. Er hatte sie immer nur mit Geschenken überschüttet und von allem Elend ferngehalten. Erst jetzt ging ihr auf, dass sie nur zu gerne die Augen verschlossen hatte vor den schrecklichen Dingen, die hier tagtäglich passierten. Sie begann sich zu schämen und schwor sich, alles dafür zu tun, dass den fremden Kriegern geholfen wurde. Was danach mit ihr passierte, blieb abzuwarten. Weder Sie selbst noch Tristan konnten in ihr altes Leben zurück, und wie es aussah, hatte sich auch Valentin für die andere Seite entschieden. Für die Seite der Menschen in Ondraka, die eingepfercht und kontrolliert, wie Tiere leben mussten. Unsanft stieß sie Abramovic zu dem Stuhl, den Tristan in die Mitte des Raumes gestellt hatte. Der Arzt jammerte wie ein Mädchen und voll Abscheu sah sie ihn an. Er hatte ja keine Ahnung, wozu die Spezialisten fähig waren. Wenn er jetzt schon wegen der läppischen Messerwunde vor Angst in die Hose pisste, was würde er tun, wenn Tristan erst richtig loslegte?
Es konnte losgehen. Tristan baute sich rechts, Thorn links von ihm auf. Noch vermied Tristan es, ihn zu berühren, deshalb begann Thorn, nach dem Datenchip zu suchen. Angewidert sah er auf den großen Urinfleck, der sich über die Hose des Arztes ausgebreitet hatte. Zügig begann der Krieger ihm die Hose aufzuknöpfen und mit einem Ruck zog er sie herunter. In Unterhosen stand der Mann da und zitterte wie Espenlaub. Juno hatte sich umgedreht, nicht etwa aus Taktgefühl, nein, sie war angewidert von dem Gestank, der von ihm ausging. Sie gesellte sich zu Shadow und Thunder, die an der Tür Wache hielten. Mit unverhohlener Neugierde betrachtete sie die Männer. Beides muskelbepackte Riesen, die jeder auf seine Weise absolut tödlich wirkten. Juno war neugierig und wollte mehr über die Fremden erfahren. Sobald der Doc die Information herausgerückt hatte, würden die Krieger gemeinsam zum Jet zurückkehren. Juno hatte keine Ahnung, was die Zukunft für sie bereit hielt. Das Einzige, was sie sicher wusste, war, ihr Leben würde unstet und gefährlich werden. Ganz anders als bisher, aber mit Sicherheit aufregender. Wahrscheinlich war es
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