Kriegsgebiete
des
Hauses. Der Kleintierkäfig in Leas Zimmer war leer. Auch nach
einer eingehenden Durchsuchung. Daniel hasste die kleine Hasenkacke.
Kein Zettel. Nichts. Obwohl man Nachrichten aus der gestörten
Befindlichkeit eines Psychopathen erwartet, wenn man zuvor sein
Haustier mühsam von der Wohnzimmerlampe entfernen musste. Außer
ihren Untaten waren doch absichtlich hinterlassene Spuren der einzige
Spaß, den Psychopathen in ihrem Leben hatten.
Im
Schlafzimmer versuchte Daniel nicht, das Bett zu ignorieren.
Stattdessen verachtete er es einfach. Eine Hälfte des
Schlafzimmerschranks war leer. Aus der anderen Hälfte nahm er
den Kampfanzug von einem Kleiderbügel.
Donnerstags.
Crosslauf. Parcours. Immer mit gemischten Gefühlen.
Daniel
gefiel es, den kürzesten Weg zu nehmen, egal welches Hindernis
sich in den Weg stellte. Körperlich zu spüren, dass man
jede Hürde überwinden konnte, selbst wenn der Kopf noch
nicht so weit war. Das Hirn zeigte immer Zeitraffer oder Zeitlupe,
aber nie die wirkliche Geschwindigkeit. Was Daniel nicht gefiel: Der
Flecktarn löste Schweißausbrüche aus und ließ
die Magensäure hochkochen. Schon öfter hatte er mit dem
Gedanken gespielt, die Uniform zu verbrennen, aber Doktor Hamann
hatte ihm deutlich gemacht, dass man nicht gegen seine Vergangenheit
leben konnte, sondern nur mit ihr. Außerdem beschlich Daniel
das dumpfe Gefühl, dass er den Tarnanzug vielleicht doch noch
brauchen würde. Es wurde zu viel gestorben in seiner Nähe.
Daniel war auf eine seltsame Art vorbereitet. Er hatte keine Ahnung,
wer der Gegner war, aber wann wusste ein Soldat das schon? Natürlich
wurde in modernen Armeen Staatsbürgerkunde betrieben, aber zu einleuchtenden Erklärungsversuchen durfte man nicht trauen. Der
Gegner ist da, das war wichtig. Und du willst überleben, das war
auch wichtig. Über einen Typen, der gefleckte Kaninchen und
hübsche Mädchen umbrachte, musste man nicht viel mehr
wissen. Daniel war bereit. Er zog den Kampfanzug an.
Das
erste Mal seit Wochen stöpselte er sich die Kopfhörer
seines MP3-Players in die Ohren. Song 2 von Blur. Das war mal
der Song zu FIFA 98 . Oder FIFA 99 . Irgendein
Computer-Fußballspiel, das er gezockt hatte, als er richtig
jung war und sich noch konzentrieren konnte. Vor ein paar Monaten
hatte ihm Lea angeboten, FIFA mit ihm zu spielen. Vielleicht
war ihr eingefallen, wie viel Spaß ihm das Spiel früher
gemacht hatte. Sie wollte ein liebes Mädchen sein. Deshalb
wählte sie auch einen viel schwächeren Club als ihr Vater.
Trotzdem war er ihr absolut unterlegen. Ständig betätigte
er die falschen Tasten am Gamepad. Wenn er sprinten wollte, grätschte
er. Und der ferngesteuerte Spieler trickste ausgelassen, wenn er
einfach bloß schießen sollte. Nach der ersten Halbzeit
war Daniel komplett entnervt. Als er merkte, dass Lea absichtlich
Fehlpässe produzierte, um ihn gewinnen zu lassen, bekam er
Mitleid. Daniel wusste nicht genau, ob mit seiner Tochter oder mit
sich selbst. Dann wurde er sauer. Er gab sich Mühe, Lea das
nicht merken zu lassen, aber das gelang ihm überhaupt nicht. Es
blieb bei einer einzigen Partie.
Während
man manche Popsongs schon nicht mehr erträgt, wenn man sie
einmal zu oft im Radio gehört hat, gibt es andere, die nicht
altern. Die wie ein Monument mitten hinein ins globale Gedächtnis
ragen. Manchmal ist man erstaunt, wenn man ein Mitglied der Band im
Fernsehen sieht und erkennt, dass das Leben auch bei einem Popstar
Spuren hinterlässt. Während der Song immer noch jung
klingt. Daniel war sich sicher: Fürs Laufen ließ sich kein
besserer Soundtrack komponieren als Song 2 in der
Endlosschleife. Es gab Sportexperten, die behaupteten, zum Laufen
wären Midtempo-Musikstücke besser geeignet, aber die hatten
keine Ahnung. Es muss rocken.
Daniel
lief an dem kleinen Teich mit Holzbrücke vorbei, den die
Stadtverwaltung bei der Erschließung des Neubaugebiets anlegen
hatte lassen. Natürlich erholte sich niemand dort. Auf den
Wiesen konnte man nicht picknicken, da sie mit Hundekot übersät
waren. Und baden würde nur jemand, der Mutationen oder
wenigstens Hautausschlag in Kauf nahm, weil sich im Frühjahr die
ganze Jauche von den benachbarten Feldern ins Wasser ergoss.
Wenigstens dem Schilf schien es gut zu gehen. Ökologisch
übernahm Schilf als natürliche Kläranlage eine
wesentliche Funktion in der Selbstreinigung eines Gewässers.
Daniel hatte das bei Wikipedia nachgelesen, als er noch selbst ein
Notebook hatte. Vielleicht war
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