Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Spranger
Vom Netzwerk:
Sofort
leuchtete die Lampe wieder auf. Dann öffnete er die Haustür.
Das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte wild durch die
Dunkelheit. Rot. Atemlos. Als wäre es in Lebensgefahr. Schnell
schloss Daniel die Tür wieder und ging durch die Brennnesseln
zur Couch. Er setzte sich und versuchte ruhig zu werden. Achtete auf
den Atem und so, aber der Scheißatem machte, was er wollte. Die
ganzen Körperfunktionen spielten nicht mit. Schweißausbruch.
Herzflattern. Daniel sah sich hektisch um. Die ganze Umgebung war da.
Er stand auf und ging ins Haus. Zwölf neue Nachrichten auf dem
Anrufbeantworter. Zehn Interview-Anfragen. Eine Nachricht von
Melanie:
    »Lea
hat mir erzählt, wie du es ihr beigebracht hast. Ich versteh das
nicht. Du bist doch ihr Vater! Dir muss doch wichtig sein, wie es ihr
geht. Schaff dir endlich mal ein neues Handy an!«
    Außerdem
eine Nachricht von Doktor Hamann: »Hier Ulrich Hamann, hallo.
Ich hab’s im Fernsehen gesehen. Die Polizei war auch da, aber
ich habe mich natürlich auf meine Schweigepflicht berufen. Also,
wenn Sie mal einen Extra-Termin brauchen, das ist okay. Sie können
mich jederzeit anrufen. Wirklich. Daniel, hören Sie: Sie müssen
nicht alleine damit fertig werden! Denken Sie daran, was wir schon
erarbeitet haben: Treffen Sie Entscheidungen, mit denen Sie sich
wohlfühlen.«
    Ja,
wohlfühlen, ich muss dafür sorgen. Daniel dachte an die
Übungen, die er mit Doktor Hamann absolviert hatte. Den
verhaltenstherapeutischen Ansatz nannte das der Psychologe. Es ist
schwer, sich wieder in Gang zu bringen, wenn der Magen rebelliert.
Der Luftzug den Schweißfilm auf der Stirn kalt trocknen lässt.
Die Gedanken so durch die Synapsen knallen, dass du die Schädeldecke
spüren kannst. Wo kam eigentlich der Luftzug her? Aus dem
Wohnzimmer. Daniel hatte das Loch in der Terrassentür mit Karton
und Reparaturband abgeklebt. Wahrscheinlich war das Klebeband aus dem
Schnäppchenmarkt seiner Aufgabe nicht gewachsen. Doch nur billig
und nicht preiswert.
    Daniel
ging zum Wohnzimmer und betätigte den Lichtschalter. Wie immer,
wenn irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung war, stürmten alle
Sinne auf ihn ein. Das Loch im Glas. Das nackte Fleisch. Sehnen.
Muskeln. Der Geruch nach Blut. Die Anwesenheit des Todes. Noch bevor
er die einzelnen Puzzleteile seiner Wahrnehmung zu einem Ganzen
zusammenfügen konnte, reagierte Daniel instinktiv so, wie es ihm
antrainiert worden war. Schneller Rückzug. Deckung suchen.
Anschließend koordiniertes Vorgehen. Am besten sofort einen
Lagebericht absetzen, Hilfe anfordern. Der Schweiß lief jetzt
wieder, brannte salzig in den Augen. Er lehnte mit dem Rücken an
der Wand neben dem Türrahmen. Das Telefon war eine Möglichkeit.
Die Polizei rufen. Oder mit einer Drehung durch die Wohnzimmertür.
Deckung hatte er so und so keine. Daniel hielt den Atem an. Sein
Herzschlag pochte in den Ohren. Der Körper konnte nicht
aufhören, Lärm zu machen, bis er tot war. Das Wohnzimmer
war ruhig. Zu ruhig. Der Feind hatte keinen Zweifel daran gelassen,
dass er es ernst meinte. Und er konnte immer noch in der Nähe
sein. Auf einen Fehler warten. Vorsichtig beugte sich Daniel nach
vorn. Durch den Türspalt konnte er nur einen kleinen Teil des
Wohnzimmers einsehen. Der wirkte friedlich. Wie gemacht für
einen ruhigen Feierabend oder einen entspannten Hinterhalt. Daniel
zog den Kopf zurück. Er presste sich noch etwas fester an die
Wand. Aus irgendeinem Grund glaubte er in diesem Moment, dass ihn das
Gefühl der Wand an seinem Rücken beim Denken unterstützen
könnte. Manchmal half Denken einfach nicht. Wieweit er sich noch
auf seinen Instinkt verlassen konnte, wusste er nicht. Früher
hatte er Instinkt, aber da war er noch nicht kaputt gewesen. Daniel
spannte seine Muskeln an. Schickte Befehle durch seinen Körper.
Mit einem Ruck stieß er sich von der Wand ab und flog um den
Türrahmen. Mit dem Knie knallte er voll auf den Wohnzimmertisch.
Auf dem Teppich dahinter abrollen und sofort aufstehen. Aufstehen war
superwichtig. Und in Bewegung bleiben. Er rannte durchs ganze
Wohnzimmer. Im Kreis. Die Mitte aussparend. Diese offensichtliche
Kriegserklärung an einen gesunden Geist. Kein Feindkontakt.
Gebiet sauber. Die Terrassentür war verschlossen. Entweder hatte
der Eindringling die Terrassentür mit einem Griff durch die
zerborstene Fensterscheibe wieder verschlossen oder er war
tatsächlich durch die Haustür nach draußen gegangen.
Kam drauf an, welche Taktik er verfolgte oder wie

Weitere Kostenlose Bücher