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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Spranger
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dass es verschwunden ist?«
    »Das
ist ja das Verdächtige.«
    »Ja,
das ist das Verdächtige.«
    Und
dann fragte er das, was er Timo schon so oft gefragt hatte, was ihm
keine Ruhe ließ: »Glaubst du, wir hätten Kunz und
Pöhlmann retten können?«
    »Warum
kommst du ausgerechnet jetzt darauf?«
    »Ich
komm nicht drauf. Es ist ständig bei mir.«
    »Bei
mir auch. Aber ich lasse es nicht die Oberhand gewinnen.«
    »Ich
male Skizzen. Markierungen. Positionen. Pfeile. Nach einiger Zeit
erkennt man vor lauter Pfeilen nichts mehr. Was hätte anders
laufen müssen? Frage ich mich.«
    »Man
kann es nicht mehr ändern. Vergrab das Karnickel.«

    ***

    Mit
einem festen Fußdruck presste Daniel den Spaten in den Boden.
Einstich folgte auf Einstich. Immer darauf bedacht, nicht zu viel
Lärm zu machen. Nach dem Hausbau hatten sie von einem Bauern
wirklich gute Erde liefern und gleichmäßig über dem
Lehmboden verteilen lassen. Melanie hatte das organisiert. Sie war
gut im Organisieren. Bio-Erde. Fair-Trade-Erde. Irgendeinen Scheiß
für gute Menschen und glückliche Kinder. Da waren kaum
Steine drin, mit denen der Spaten Bekanntschaft machen konnte. Steine
würden Lärm machen und Lärm konnte Daniel nicht
gebrauchen. Daniel fasste in den Rasen und es gelang ihm, das
ausgestochene Stück Grasnarbe im Ganzen aus dem Boden zu heben.
Danach schaufelte er eine kleine Grube aus. Er ging in die Küche
und holte sich aus einer Schublade Einmalhandschuhe. Mit einer Zange
versuchte er den Draht um den Hals des Kaninchens zu lösen.
Bonapartes Augen starrten ihn unablässig an. Schließlich
wurde ihm doch schlecht. Er schaffte es rechtzeitig auf die Toilette
und übergab sich. Zurück im Wohnzimmer, stellte er sich
hinter den erhängten Kadaver, damit er die Augen nicht sehen
musste. Der Draht war verdammt widerspenstig, aber Daniel war
geduldig und er hatte nichts mehr im Magen. Als der Draht nachgab,
konnte er sich nicht entscheiden, wo er Bonaparte anfassen sollte.
Mit einem glitschigen Laut fiel er auf den Boden. Während Daniel
den Kaninchenkörper und das Fell aufhob, versuchte er möglichst
wenig hinzusehen. Nur aus den Augenwinkeln. Er trug die Überreste
eines Hasenlebens in den Garten und wusste zunächst nicht, wie
er sie in der Grube anordnen sollte. Schließlich wickelte er
das Fell um den nackten Kadaver. Schnell schaufelte er die Erde
zurück und setzte die Rasendecke wieder ein. Noch ein paar
Feinarbeiten. Das Grab im Garten musste möglichst unauffällig
sein. Getarnt. Die Einmalhandschuhe warf er in die Mülltonne.
Als er auf der Couch im Garten saß, wünschte er sich ein
Bier. Gleich morgen würde er einen Kasten im Supermarkt kaufen.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass es keine gute Idee gewesen
war, die Einmalhandschuhe in die Mülltonne zu werfen. Dort
konnte sie jeder wieder herausholen. Eine neugierige
Fernsehjournalistin. Die Spurensicherung. Der Killer. Daniel musste
sich weit in die Mülltonne beugen, um mit spitzen Fingern die
Einmalhandschuhe zwischen den anderen Überresten seines
täglichen Daseins wieder herauszufischen. Nachdem ihm das
gelungen war, spülte er sie in der Toilette hinunter. Sofort
danach wurde ihm klar, dass das auch keine gute Idee gewesen war.
Womöglich würden die Handschuhe den Abfluss verstopfen. Er
schüttete eine ganze Flasche Rohrreiniger hinterher.
    Zurück
auf der Couch, schlief er auch ohne Bier sofort ein.

Donnerstag

    Daniel
fühlte sich wie gerädert. Das Ledersofa hatte nur ein
leises Schönwettermurren von sich gegeben. Keinen Regenseufzer.
Regen spürte er nach dem Aufwachen immer in den Gelenken. In
seinem Alter war man kein Fußball-Profi mehr. Außer
Torwart vielleicht. Wenn man nach einer regenfreien Nacht auf der
Couch jeden Knochen einzeln spüren konnte, war man
wahrscheinlich auch als Torwart zu alt. Daniel sah sich um. Sein Hirn
brauchte ein paar Minuten, um den Ist-Stand einzulesen. Der blaue
Himmel mit ein paar einzelgängerischen Kumuluswolken versprach
einen freundlichen Tag. Der Himmel war okay. Ansonsten war nichts
okay. Daniel schaute in Richtung des Kaninchengrabs. Alles schön
friedlich und ruhig. Als hätte sich Bonaparte nichts sehnlicher
gewünscht, als frisch beerdigt zu sein. Daniel wusste, dass es
nicht so war. Karnickel wollen sich fortpflanzen, selbst wenn sie
einen kaiserlichen Namen haben, vielleicht gerade dann. Wegen der
Erbfolge. Alles Leben will sich reproduzieren.
    Daniel
sperrte die Haustür auf und rannte in den ersten Stock

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