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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Spranger
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Haustür
jemand herumtreibt, der wie ein gestörter Psychopath aussieht.«
    »Ich
glaube, er stellt sich nicht so dämlich an.«
    »Warum?
Wegen dem Wald?«
    »Das
lag nicht am Wald.«
    »Du
bist dir nicht sicher, ob dich wirklich jemand verfolgt hat.«
    »Er
war da.«
    »Du
hast ihn nicht gesehen.«
    »Instinkt.«
    Maik
nickte, aber er sah nicht so aus, als hätte ihn die Antwort
zufriedengestellt.
    »Ich
weiß schon, was du sagen willst.«
    Maik
zuckte mit den Schultern.
    »Ich
sag doch gar nichts.«
    »Einem
Hirninvaliden würde ich auch nicht alles glauben.«
    »Besser
ich leg erst mal Musik auf.«
    Maik
ging an sein CD-Regal.
    »Es
gibt einfach Situationen, in denen man merkt, dass Musik fehlt.«
    Unzufrieden
starrte Maik auf seine riesige CD-Sammlung. Er wechselte von digital
zu analog und suchte in seinen Vinyl-LPs. Verklärt lächelnd
zog er schließlich ein Cover mit einem hellblau umrandeten
Schwarz-Weiß-Foto aus dem Regal. Maiks Umgang mit dem analogen
Material als »liebevoll« zu bezeichnen, wäre eine
gehörige Untertreibung gewesen. Die schwarze Scheibe aus dem
Innencover in seine Handfläche gleiten zu lassen, war einer
religiösen Zeremonie nicht unähnlich. Er legte das Cover
zur Seite, während er mit der anderen Hand die LP balancierte.
Gekonnt wechselte er seine Handstellung. Die Platte schien zwischen
seinen Händen zu schweben wie ein mystisches Artefakt. Zuletzt
schob Maik in einem rituellen Paarungsakt das sehr enge Loch der
Vinyl-Scheibe über einen Metallstift. Der Tonarm bewegte sich
mit einem quietschenden Geräusch zum Rand der Platte hin. Als
die Nadel in der Rille aufsetzte, gaben die Lautsprecher ein Seufzen
von sich.
    »Man
braucht einfach den richtigen Soundtrack, um sich in seinem Leben
zurechtzufinden«, sagte Maik. Zufrieden nickte er im Rhythmus
der Musik mit dem Kopf. Ab dem zweiten Refrain nickte Daniel mit. Es
gab Schlimmeres, als gemeinsam zu nicken. In die knisternde Pause
nach dem ersten Song sagte Maik:
    » Hatful
Of Hollow . Meine erste Smiths-Platte. Nur eine portugiesische
Pressung. Deshalb war die damals so billig. Aber ich werde den Teufel
tun und sie jemals verkaufen.«
    Dann
schwiegen die beiden Freunde zu What Difference Does It Make?
    Nach
dem Song fragte Maik: »Hast du irgendjemand von der
Karnickel-Geschichte erzählt? Von der tatsächlichen, meine
ich.«
    »Nur
Timo. Er hat mir geraten, Bonaparte zu vergraben, weil mein Messer
verschwunden ist. Das NATO-Kampfmesser. Zufall, aber Zufälle
machen dich verdächtig.«
    »Das
mit dem verschwundenen Messer wusste bisher nicht mal ich.«
    »Timo
und ich waren zusammen in Afghanistan. Nimm es mir nicht übel:
Mit dir zusammen Musik zu hören ist wirklich das Größte,
Maik, aber wenn du mal mit einem anderen so richtig in der Scheiße
gesessen bist – das schweißt zusammen.«
    »Scheiße
schweißt zusammen?«
    »Ja.«
    »Und
der Mitbeschissene kommt am Wochenende als Verstärkung?«
    »Ja.«
    »Kommt
nicht oft vor, dass ein erklärter Pazifist wie ich gleich zwei
Kriegsveteranen in seinem Bekanntenkreis hat.«
    »Ich
glaube, ihr werdet euch auf Anhieb super verstehen.«
    Manchmal
musste man aus taktischen Erwägungen Dinge sagen, von denen man
nicht so ganz überzeugt war. Timos Musikgeschmack war eher
chartorientiert. Eigentlich war sich Daniel nicht sicher, ob Timo
überhaupt einen Musikgeschmack hatte. Er ließ einfach
nebenher das Radio laufen. Die besten Songs der Achtziger, Neunziger
und von heute. Mit Radio-Gedudel kam Maik nur schwer zurecht.
Menschen, die Scooter oder die Böhsen Onkelz als
ihre Lieblingsband bezeichneten, standen in Maiks Weltbild in etwa
auf der Stufe von Kinderschändern. Wenigstens hatte Timo keine
Lieblingsband. »Vielleicht können wir zu dritt eine Taktik
entwickeln, wie wir den Typen schnappen, der hinter mir her ist.«
    Maik
sah Daniel verständnislos an.
    »Das
hier ist Deutschland, nicht der Hindukusch «, sagte Maik
vorsichtig.
    »Ihr
könntet mich abwechselnd beobachten. Mit genug Abstand. Wenn ihr
euch abwechselt, würde es auch nicht sofort auffallen, dass wir
ein Team sind. Früher oder später würde euch der Kerl,
der mich verfolgt, auf jeden Fall auffallen.«
    »Könnte
ja auch eine Frau sein.«
    »Eine
Frau würde nie so was mit einem Hasen machen.«
    »Ich
weiß nicht. Eine, die dich stark genug hasst …«
    »Du
konntest Melanie nie besonders gut leiden.«
    »Ich
hab keine Namen genannt.«
    »Ihr
müsstet erst mal heimlich Fotos machen. Timo und du. Besser ein
Video.

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