Kriegsgebiete
Wir schnappen uns das Schwein.«
»Hört
sich nach James Bond an. Bloß, dass ich nicht James Bond bin.«
»Ich
auch nicht, aber es gibt zurzeit in meinem Leben zu viele Zufälle,
als dass sie sich noch mit dem Chaosprinzip erklären ließen.
Vielleicht steckt ja wirklich ein Geheimdienst dahinter. Oder die
Taliban.«
»Hast
du über diese Theorie schon mit deinem Therapeuten geredet?«
»Du
hältst mich für verrückt.«
»Menschen,
die Angst haben, verhalten sich nicht rational.«
Daniel
und Maik hörten den Smiths ein paar Minuten zu, ohne ein Wort zu
wechseln. Die Musik war gnädig. Erstaunlich unperfekt
produziert.
»Es
war ein Fehler, Bonaparte zu vergraben und nicht sofort die Polizei
zu rufen. Vielleicht hätte die das von meiner Unschuld
überzeugt«, sagte Daniel.
»Glaubst
du etwa, dass der Mörder des Hasen auch die drei Frauen auf dem
Gewissen hat?«
»Ja.
Glaube ich.«
»Scheiße.«
Maik
ging wieder zum Fenster, schob einen Finger unter eine Lamelle der
Jalousie und hob sie hoch. Ein Spalt Sonnenlicht fiel auf sein
Gesicht. Aufmerksam suchte er die Straße ab. Er atmete aus. Der
Atem machte ein hydraulisches Geräusch. Maik drehte sich wieder
zu Daniel um.
»Könnte
genauso gut ein ganz normaler Stalker sein. Immerhin bist du ein Star
im Internet.«
Maik
ging zu seinem Schreibtisch und holte sein Notebook. Er stellte es
vor Daniel hin. Ein paar schnelle Bewegungen auf dem Touchpad und
Maik war bei YouTube. Ein Video startete. Vergleichsweise gute
Bildqualität. Daniel erkannte sich an der Umgebung und seinen
Klamotten, nicht an seinem Hinterkopf oder seinen Bewegungen. Man
sieht sich nicht so oft von hinten. Er rennt durch einen
Brennnessel-Urwald. Die Terrasse ist unaufgeräumt. Daniel
schlägt mit einem Blumenkübel die Terrassentür ein. Er
greift durch die zerborstene Scheibe zum Türgriff. Dabei
schlitzt er sich die Jacke auf. Schnell schließt er die Tür.
Er schaut nach draußen. Sein Gesicht sieht zu blass aus.
»Fast
neuntausend Aufrufe in gerade einem Tag«, sagte Maik, »das
ist ziemlich gut.«
»Scheißinternet.
Heute kannst du nicht mal deine eigene Terrassentür zertrümmern,
ohne an den Pranger gestellt zu werden.«
»Früher
hatten sie so ein Holzding auf dem Marktplatz …«
»Das
Holzding heißt Pranger.«
»Das
waren halt die Medien, auf die mittelalterliche Nutzer zurückgreifen
konnten. Und wenn du erst mal in den Medien bist, hat früher
oder später einer Lust, dir was an die Birne zu werfen. Ein
faules Ei. Einen handlichen Stein.«
»Ein
totes Haustier.«
»Der
könnte erst draufgekommen sein, nachdem er das Video gesehen
hatte.«
»Also,
sollte es deine Motivation sein, mich zu beruhigen, dann geht der
Versuch gerade voll nach hinten los.«
»Sorry.
Ich muss mich erst mal erfrischen.«
Obwohl
er schon lange mit Maik befreundet war, glaubte Daniel tatsächlich
zunächst, dass sein pazifistischer Freund im Bad verschwinden
wollte. Stattdessen holte der aber aus einer bauchigen weißen
Vase mit Trockenblumen einen Gefrierbeutel mit Gras. Auf so ein
mieses Versteck konnte nur Maik kommen. Die Vase und die
Trockenblumen passten kein bisschen zum Rest der Einrichtung.
Wahrscheinlich war er tatsächlich für jede Form von
verdeckter Ermittlung ungeeignet. Die Smiths-LP war mittlerweile bei Heaven Knows I’m Miserable Now angekommen. Maik baute
aus dem Gras und mehreren extralangen Zigarettenpapierchen einen
dicken Joint. Das Ding war verdammt schwer anzuzünden. Umso mehr
zelebrierte Maik den ersten Zug. Gleich darauf entspannte sich seine
Körperhaltung, als hätte das THC auf dem Weg von der Lunge
zum Hirn einen Zwischensprint eingelegt. Einladend hielt Maik seinem
Freund den Joint entgegen.
»Bewusstseinserweiternd.«
Maik lächelte.
Daniel
schüttelte den Kopf.
»Eigener
Anbau«, sagte Maik. »Rauch ich nur, wenn ich wirklich gut
denken muss. Im Allgemeinen wird Denken ja überbewertet.«
»Ich
vertrage das Zeug nicht.«
Maik
nahm noch ein paar kräftige Züge. Jedes Mal legte er dabei
den Kopf zurück, als würde die Bewusstseinserweiterung von
oben bis unten durch ihn hindurchströmen. Dann setzte er mit dem
Rauchen aus. Der Joint qualmte im Aschenbecher vor sich hin. Maik
starrte abwechselnd Daniel und das glimmende Zigarettenpapier an.
»Sag
mal, wenn’s wirklich so ist. Nur mal angedacht. Wenn der
Karnickelmörder auch der Frauenmörder ist und er eigentlich
hinter dir her ist, dann stünden die ganzen Morde ja alle in
einem Zusammenhang mit
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