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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Spranger
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weniger
spektakulär.
    Rainer
stellte ihm seine Schuhsohle auf den Kehlkopf und zog einen Arm nach
oben. Die Hand verdrehte er so, dass er das Handgelenk jederzeit
brechen konnte. Sollte Daniel Widerstand leisten, hätte Rainer
sich aussuchen können, ob er ihm nur schlimm wehtun oder gleich
die Luft abstellen wollte.
    »Du
willst es wohl doch auf die Harte?«, fragte Rainer.
    »Leck
mich.«
    Rainer
drückte mit seinem Fuß auf den Kehlkopf und verdrehte die
Hand noch ein wenig weiter.
    »Okay,
ich hab’s gecheckt«, röchelte Daniel.
    »Da
bin ich mir nicht so sicher. Ich hab schon ein paar Typen wie dich
getroffen. Arschgeigen, die nicht in der Lage waren, eine Situation
realistisch einzuschätzen. Die einen haben’s doch noch
begriffen. Die anderen sind tot oder drogenabhängig.«
    »Nimm
den Fuß runter.«
    Rainer
lockerte ein wenig den Druck seines Fußes auf dem Kehlkopf. Er
schaute ins Auto.
    »Scheiße,
du hast den Airbag ausgelöst.«
    Die
Schuhsole ließ von Daniels Kehle ab. Sauerstoff strömte in
ihn. Rainer trat Daniel noch einmal kräftig in die Rippen, bevor
er auch seine verdrehte Hand losließ. Der Arm fiel kraftlos
nach unten, aber Daniel konnte ihn vor dem Boden abbremsen. Ich bin
ja kein toter Mensch, dachte er. Leiche kann man auch sagen, aber das
hört sich noch hässlicher an.
    Rainer
ging vor Daniel in die Hocke.
    »Hör
zu. Du kannst mich doch hören? Nick mit dem Kopf, wenn du mich
hören kannst, Arschloch.«
    Daniel
nickte nicht, sondern keuchte stattdessen:
    »Natürlich
kann ich dich hören.«
    »Ich
muss geschäftlich für ein paar Tage weg. Nachdem wir hier
fertig sind, fahre ich auf die Autobahn. Es gibt nämlich
Menschen, die selbst für ihren Broterwerb sorgen und sich nicht
vom Staat finanzieren lassen. Wenn du, während ich weg bin,
Melanie oder Lea zu nahe kommst, breche ich dir alle Knochen. Ich
komm nämlich wieder zurück. Hast du das verstanden?«
    »Ich
hab’s verstanden.«
    »Also,
wirst du dich daran halten?«
    »Ich
werde darüber nachdenken.«
    Rainer
lächelte.
    »Ja,
denk darüber nach.«
    Rainer
stand auf und trat Daniel zum Abschied noch einmal kräftig in
die Rippen. Wieder an der gleichen Stelle.
    Aus
Daniels Position sah es scheiße aus, wie Rainer die Fahrertür
öffnete und mit einem großen Schritt über ihn hinweg
ins Auto stieg.  Daniel rollte sicherheitshalber ein paar Meter
zur Seite, um nicht als Verkehrsopfer in einer Statistik zu enden.
Der Motor der Limousine startete mit einem satten Grollen. Die
Beschleunigung war sehr gut. Rollsplitt prasselte auf Daniel nieder.
Natürlich hatten sich alle Vorurteile bestätigt, die man
gegenüber Fahrern von Bonzenschlitten haben konnte.
    Langsam
brachte sich Daniel Wirbel für Wirbel, Gelenk für Gelenk
wieder in eine vertikale Grundhaltung. Er konnte jeden Nerv in seiner
Lendengegend spüren. Wenigstens nirgendwo ein offener Bruch an
den Gliedmaßen. Und der Schädel war ganz. Das Gesicht. Das
Becken fühlte sich irgendwie breiig an, aber alle Wirbel
schienen noch in der richtigen Reihenfolge zu sein. Der Schmerz
wickelte sich wie Stacheldraht um die Bandscheiben. Solange man seine
Beine spüren und aufrecht stehen konnte, war man in der Lage,
seinen Arsch vom Kriegsschauplatz zu entfernen. Der Schmerz wird dir
helfen, dich zu erinnern, sagte sich Daniel. Damit du das nächste
Mal schneller denkst. Damit du vorbereitet bist. Diesmal war nur
Rainer vorbereitet gewesen. Verdammt, wo hatte der Scheißkerl
das gelernt? Was war das eigentlich? Karate? Kung Fu? Jiu Jitsu? Eine
selbst gebastelte Mischung aus allem? Für Judo war es jedenfalls
zu gewalttätig. Das nächste Mal würde Daniel
vorbereitet sein. Er dachte an die Rocky -Filme, die er gesehen
hatte. Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.
    Als
Daniel aufs Rad stieg, spürte er den Schmerz durch sämtliche
Nervenleitungen schießen. Er hielt die Luft an. Und atmete dann
vorsichtig durch. »Aua« sagte man nur, wenn jemand dabei
war.

    ***

    Der
orangefarbene Anstrich der Musikschule leuchtete in der
Nachmittagssonne supernovamäßig auf. So als würde
sich das ganze Gebäude erst zusammenziehen und dann
ausweiten/ausbreiten/expandieren, vom Boden abheben und schließlich
als Feuerball über der Stadt explodieren. Angetrieben von dem
Soundtrack, der aus dem Inneren des Hauses zu hören war.
Unterschiedlich gut gespielte Instrumente. Anfänger-Percussion.
Saxofon fortgeschritten. Gitarren akustisch und elektrisch. Gesang
war auch dabei. Besonders schlecht.

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