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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sonnigen Straßen des Agrionts, war es leicht zu vergessen, dass eine Horde geifernder Barbaren in Angland eingefallen war. Schon bald würde er nach Norden ziehen, um seine Kompanie in die Schlacht zu führen. Eine solche Vorstellung hätte einen Mann doch wohl beschäftigen sollen. War denn der Krieg nicht ein tödliches Geschäft? Er konnte verletzt, verstümmelt oder sogar umgebracht werden. Jezal versuchte, das verzerrte, zuckende, bemalte Gesicht von Fenris dem Gefürchteten in seiner Erinnerung heraufzubeschwören. Legionen brüllender Wilder stürmten den Agriont. Es war ein schreckliches Geschäft, ein gefährliches und Angst einflößendes.
    Hmmm.
    Ardee kam aus Angland. Was, wenn sie beispielsweise in die Hände der Nordmänner fiele? Jezal würde natürlich sofort losziehen, um sie zu retten. Sie würde nicht verletzt sein. Jedenfalls nicht schwer. Vielleicht wäre ihre Kleidung etwas zerrissen, zum Beispiel so? Und sie wäre zweifelsohne verängstigt – und dankbar. Es wäre seine Pflicht, sie zu trösten und zu beruhigen. Vielleicht fiele sie sogar in Ohnmacht? Dann müsste er sie tragen, ihren Kopf an seine Schulter gedrückt. Vielleicht müsste er sie hinlegen und ihre Kleidung lockern. Ihre Lippen würden sich berühren, nur ganz wenig, und dann würde sich ihr Mund ein ganz klein wenig öffnen und dann …
    Jezal kam ein wenig ins Straucheln. Er spürte eine angenehme Schwellung unterhalb der Leisten. Angenehm, aber mit einem schnelleren Lauf schlecht zu vereinbaren. Er hatte fast den Innenhof erreicht, aber in diesem Zustand konnte er kaum mit den Fechtübungen beginnen. Er sah sich verzweifelt nach einer Ablenkung um und verschluckte sich beinahe. Major West stand bereits in seiner Fechtkleidung an der Mauer und wartete mit ungewohnt finsterer Miene darauf, dass er näher kam. Einen Augenblick lang fragte sich Jezal, ob sein Freund irgendwoher wusste, woran er gerade gedacht hatte. Er schluckte schuldbewusst und fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. West konnte das nicht wissen, woher auch. Aber er war offenkundig aus irgendeinem Grund sehr schlechter Laune.
    »Luthar«, knurrte er.
    »West.« Jezal sah auf seine Schuhe. Sie waren nicht allzu gut miteinander zurechtgekommen, seit West in den Kommandostab von Marschall Burr berufen worden war. Jezal hatte versucht, sich für ihn zu freuen, aber er konnte das Gefühl nicht verdrängen, dass er selbst für diesen Posten viel besser geeignet gewesen wäre. Immerhin war er von hervorragender Herkunft, ob er nun schon Erfahrung im Feld hatte oder nicht. Dann stand auch Ardee immer noch ein wenig zwischen ihnen, wegen Wests überflüssiger und übertrieben heftiger Warnung. Es war allgemein bekannt, dass West als Erster die Bresche von Ulrioch gestürmt hatte. Es war allgemein bekannt, dass er höllisch jähzornig war. Bisher hatte Jezal das aufregend gefunden, bis er nun einmal selbst darunter hatte leiden müssen.
    »Varuz wartet.« West löste die verschränkten Arme und ging auf den Durchgang zu, »und er ist nicht allein.«
    »Nicht allein?«
    »Der Marschall meint, Sie sollten sich an Zuschauer gewöhnen.«
    Jezal runzelte die Stirn. »Ich finde es überraschend, dass das Turnier angesichts der jetzigen Stimmung, mit dem Krieg und so, überhaupt noch jemanden interessiert.«
    »Sie werden sich wundern. Kämpfen und Fechten und alle möglichen kriegerischen Aktivitäten sind im Augenblick sehr in Mode. Heutzutage trägt jeder einen Degen, selbst wenn er im ganzen Leben noch nicht einmal wirklich eine Klinge gebrauchen musste. Man fiebert dem Turnier geradezu entgegen, glauben Sie mir.«
    Jezal blinzelte, als sie in den sonnendurchfluteten Innenhof traten. An einer Seite war kurzfristig eine Tribüne errichtet worden, die voll besetzt war. Mindestens dreißig Zuschauer, wenn nicht mehr.
    »Und hier ist er!«, rief Marschall Varuz. Höflicher Applaus brandete kurz auf. Jezal merkte, dass er grinste – es waren einige sehr wichtige Leute darunter. Er sah, wie Lord Kronrichter Marovia sich den langen Bart strich. Lord Ischer saß nicht allzu weit von ihm entfernt und blickte leicht gelangweilt drein. Kronprinz Ladisla, in ein glänzendes, hauchdünnes Kettenhemd gekleidet, lümmelte in der ersten Reihe und klatschte begeistert. Die Leute auf den Bänken hinter ihm mussten sich zur Seite lehnen, um an dem ausgefallenen Federbusch seines großen Hutes vorbeisehen zu können.
    Varuz überreichte Jezal immer noch strahlend seine Fechteisen.

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