Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
erschien die Aussicht auf den langweiligen Wachdienst am Südtor geradezu wie eine Wohltat. Jezal freute sich tatsächlich darauf, faul herumstehen zu können, den Leuten zuzusehen, die den Agriont betraten und ihn wieder verließen, und Leutnant Kaspas geistlosem Geplauder zuzuhören. So hatte er es sich jedenfalls gedacht, bevor er am Tor ankam.
    Kaspa und die bewaffneten Soldaten, die wie üblich die Wache verstärkten, hatten sich am äußeren Tor versammelt, wo die alte Brücke, die über den Burggraben führte, von zwei soliden, weiß getünchten Wachtürmen eingefasst wurde. Als Jezal das Ende des langen Tunnels erreichte, sah er, dass jemand bei ihnen stand. Ein kleiner, gehetzt wirkender Mann mit Brille. Nach kurzem Überlegen erkannte Jezal ihn. Er hieß Morrow und zählte zu den Leuten des Lord Schatzmeisters. Er hatte hier nichts zu suchen.
    »Hauptmann Luthar, welch ein glückliches Zusammentreffen!« Jezal zuckte zusammen. Hinter ihm auf dem Boden saß dieser Verrückte, Sulfur, und lehnte sich mit dem Rücken gegen die hoch aufragende Mauer des Wachhauses.
    »Was, zur Hölle, macht der denn hier?«, fauchte Jezal. Kaspa öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Sulfur war schneller.
    »Achten Sie nicht auf mich, Herr Hauptmann, ich warte nur auf meinen Herrn.«
    »Ihren Herrn?« Jezal wollte sich gar nicht vorstellen, welch einem Oberidioten ein Volltrottel wie dieser Sulfur dienen mochte.
    »Jawohl. Er wird sehr bald hier sein.« Sulfur sah mit gerunzelter Stirn zur Sonne empor. »Um ehrlich zu sein, er hat sich schon ein wenig verspätet.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja.« Der Verrückte verzog das Gesicht wieder zu einem freundlichen Lächeln. »Aber er wird schon noch kommen, Jezal, darauf können Sie sich verlassen.«
    Dass dieser Kerl ihn jetzt noch beim Vornamen nannte, war zu viel. Jezal kannte den Mann so gut wie gar nicht, und das Wenige, was er von ihm wusste, gefiel ihm überhaupt nicht. Er öffnete den Mund, um das unmissverständlich klarzustellen, aber Sulfur sprang plötzlich auf, schnappte sich den Stock, der neben ihm an der Wand gelehnt hatte, und bürstete sich den Staub von der Kleidung. »Hier sind sie ja!«, sagte er und sah zum Burggraben. Jezals Augen folgten dem Blick des Verrückten.
    Ein prächtiger alter Mann schritt, den kahlen Kopf hoch erhoben, entschlossen über die Brücke. Er war in einen fantastischen Umhang aus Rot und Silber gekleidet, der ihn in der leichten Brise umwehte. Ihm folgte ein kränklich aussehender junger Mann, der den Kopf wie aus Hochachtung vor dem Alten leicht gesenkt hielt und der auf den nach oben gerichteten Handflächen einen langen Stab vor sich her trug. Ein ungeschlachter, großer Kerl in einem schweren Pelzmantel, der die anderen beiden um gut einen halben Kopf überragte, stapfte hinterdrein.
    »Was, zum …« Jezal verstummte. Ihm war, als ob er den alten Mann von irgendwoher kannte. Vielleicht ein Fürst aus dem Offenen Rat? Ein Botschafter aus fernen Landen? Jedenfalls hatte er etwas Majestätisches an sich. Jezal zermarterte sich den Kopf, als sie näher kamen, aber er konnte ihn nicht einordnen.
    Der alte Mann hielt vor dem Torhaus an und ließ seinen Blick aus schimmernden grünen Augen über Jezal, Kaspa, Morrow und die Wachen schweifen. »Yoru«, sagte er.
    Sulfur trat vor und verbeugte sich tief. »Meister Bayaz«, murmelte er leise und mit tiefstem Respekt.
    Und damit war es klar. Daher kannte Jezal den Mann. Er sah der Statue des Bayaz auf dem Weg der Könige ungeheuer ähnlich. Der Statue, an der Jezal so oft vorübergelaufen war. Vielleicht war er ein bisschen dicker, aber der Gesichtsausdruck – streng, weise und mühelos gebieterisch – war genau derselbe. Jezal runzelte die Stirn. Und der alte Mann wurde bei diesem Namen genannt? Das gefiel ihm nicht. Auch der Anblick des jungen Mannes mit dem Stab gefiel ihm nicht. Und der Anblick des dritten Mannes gefiel ihm noch viel weniger.
    West hatte Jezal oft gesagt, dass jene Nordmänner, denen man in Adua begegnete und die meist heruntergekommen am Hafen herumlungerten oder betrunken in der Gosse lagen, keineswegs typisch für ihr Volk waren. Jene, die frei im Äußersten Norden lebten, kämpften, sich befehdeten, feierten und eben taten, was Nordmänner so tun, seien von gänzlich anderer Art. Große, grimmige, gut aussehende Menschen hatte sich Jezal immer vorgestellt, die ein gewisser Hauch von Romantik umgab. Stark, aber würdevoll. Wild, aber edel. Ungebildet, aber gewitzt.

Weitere Kostenlose Bücher