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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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gehabt. Jetzt war er schwach und hungrig und so einsam, wie man nur sein konnte. Er hatte Schama Ohnherz mit einem langen Schwert getötet, richtig schön scharf. Er blickte auf sein Messer. Es war vielleicht nicht das Schlechteste, aber damit würde er kaum besonders viel Rache nehmen können. Und wer würde überhaupt ein Lied davon singen? Die Schanka hatten erbärmliche Singstimmen und eine noch üblere Vorstellungskraft, falls sie den stinkenden Bettler in seiner Decke überhaupt erkennen würden, nachdem sie ihn mit Pfeilen durchlöchert hatten. Vielleicht konnte die Rache warten, zumindest bis er eine längere Klinge zu seiner Verfügung hatte. Man musste schließlich realistisch sein.
    Also auf nach Süden, auf Wanderschaft. Für einen Mann mit seinen Fähigkeiten gab es immer Arbeit. Harte Arbeit vermutlich und düstere, aber immerhin Arbeit. Darin lag ein gewisser Reiz, das musste er zugeben. Er musste auf niemanden Rücksicht nehmen außer auf sich selbst, seine Entscheidungen hatten keine Bedeutung, denn diesmal hingen weder Leben noch Tod anderer Menschen von ihm ab. Er hatte Feinde im Süden, das stimmte. Aber der Blutige Neuner hatte schon früher mit Feinden umzugehen gewusst.
    Er spuckte noch einmal aus. Jetzt, wo er ein wenig Spucke hatte, konnte er es auch gleich ein paar Mal öfter tun. Es war so ziemlich alles, was er hatte – Spucke, ein alter Topf und ein paar stinkende Streifen Decke. Im Norden sterben oder im Süden leben. So sah die Lage aus, und da konnte von einer echten Wahl nicht die Rede sein.
    Weitermachen. Das hatte er immer getan. Das muss man tun, wenn man überleben will, ob man das Überleben verdient oder nicht. Man erinnert sich der Toten, so gut es geht. Und schließlich macht man weiter und hofft auf bessere Zeiten.
    Logen atmete lange die kalte Luft ein und stieß sie dann wieder aus. »Gehabt euch wohl, meine Freunde«, murmelte er. »Gehabt euch wohl.« Dann warf er sich den Rucksack über die Schulter, wandte sich um und bahnte sich einen Weg durch den tiefen Schnee. Hinunter, nach Süden, hinaus aus den Bergen.
     
    Es regnete immer noch. Weicher Niederschlag überzog alles mit einem kaltfeuchten Schleier, der sich auf den Zweigen, auf den Blättern, auf den Nadeln sammelte und in großen, dicken Tropfen herunterfiel, Tropfen, die durch Logens nasse Kleidung bis auf seine nasse Haut drangen.
    Er hockte sich still und schweigend ins nasse Unterholz; das Wasser rann sein Gesicht herunter, und die helle Klinge seines Messers glitzerte vor Feuchtigkeit. Er spürte die große Lebensenergie des Waldes und hörte seine abertausend Geräusche. Die zahllosen dahinkrabbelnden Insekten, das blinde Wühlen der Maulwürfe, das leise Rascheln des Rotwilds, das langsame Pulsieren des Saftes in den alten Baumstämmen. Jedes lebende Wesen des Waldes war auf der Suche nach seiner eigenen Art von Nahrung, und er war da nicht anders. Er konzentrierte sich auf ein Tier in seiner Nähe, das sich vorsichtig rechts von ihm seinen Weg bahnte. Lecker. Der Wald wurde still, nur das endlose Tropfen des Wassers von den Zweigen war noch zu hören. Die Welt schrumpfte auf Logen und seine nächste Mahlzeit zusammen.
    Als er vermutete, dass es nah genug herangekommen war, machte er einen Satz nach vorn und riss es auf den nassen Boden. Ein junges Reh. Es schlug aus und wehrte sich, aber er war stark und schnell, und er stach mit dem Messer in seinen Hals und schnitt ihm die Kehle durch. Heißes Blut schoss aus der Wunde und ergoss sich über Logens Hände und auf die nasse Erde.
    Er nahm das tote Tier auf und schwang es sich auf die Schultern. Das Fleisch, vielleicht noch mit ein paar Pilzen, würde einen guten Schmortopf geben. Einen äußerst guten. Dann, wenn er gegessen hatte, wollte er die Geister um Rat fragen. Zwar war ihr Rat in der Regel reichlich nutzlos, aber ihre Gesellschaft war ihm höchst willkommen.
    Als er seinen Lagerplatz erreichte, war es kurz vor Sonnenuntergang. Es war eine Unterkunft, wie sie einem Helden von Logens Statur geziemte – zwei große Stöcke, die einen Haufen feuchter Äste über einer Mulde auf der bloßen Erde stützten. Immerhin war es einigermaßen trocken darunter, und der Regen hatte aufgehört. Heute Nacht würde er ein Feuer anzünden können. Es war lange her, dass er in einen solchen Genuss gekommen war. Ein Feuer, ganz für ihn allein.
    Später, als er satt und ausgeruht war, drückte Logen einen Klumpen Tschagga in seine Pfeife. Ein paar Tage zuvor hatte

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