Kriegsklingen (First Law - Band 1)
Mann als herrlichen Gesprächspartner oder als unerträglichen Dummschwätzer ansah. Er fragte sich, ob er selbst, wenn er betrunken war, ebenso langweilig daherredete wie Kaspa, Jalenhorm oder Brint.
Jezal lächelte schmallippig, als er zu dem immer noch beleidigten Leutnant hinübersah. Wenn er König wäre, überlegte er, würde er langweilige Unterhaltungen mit dem Tode bestrafen, oder zumindest mit einer langjährigen Haftstrafe. Er stand auf.
Jalenhorm sah zu ihm hoch. »Wo wollen Sie denn hin?«
»Ich ruhe mich besser noch ein wenig aus«, erwiderte Jezal kurz angebunden, »ich will morgen trainieren.« Er musste sich beherrschen, den Raum nicht geradezu fluchtartig zu verlassen.
»Aber Sie haben doch gewonnen! Wollen Sie das gar nicht feiern?«
»Es war nur die erste Runde. Ich muss immer noch drei weitere Männer schlagen, und sie werden alle besser sein als dieser Trottel heute.« Jezal nahm seinen Mantel, der über der Stuhllehne hing, und zog ihn sich über.
»Wie Sie meinen«, sagte Jalenhorm und trank geräuschvoll einen Schluck.
Kaspa hob den Kopf vom Tisch; sein Haar war auf einer Seite nass von verschüttetem Wein und klebte an seinem Kopf. »Gehnseschon?«
»Hmm«, nickte Jezal, drehte sich um und schritt davon.
Draußen fegte ein kalter Wind durch die Straße, der ihn noch nüchterner werden ließ, als er ohnehin schon war. Schmerzhaft nüchtern. Er brauchte jetzt unbedingt intelligente Gesellschaft, aber wo sollte er die um diese nachtschlafende Zeit finden? Es fiel ihm nur eine Möglichkeit ein.
Er zog den Brief aus seiner Tasche und las ihn im düsteren Lichtschein, der aus den Fenstern der Taverne fiel, noch ein weiteres Mal. Wenn er sich jetzt beeilte, würde er sie vielleicht sogar noch antreffen. Langsam ging er in Richtung des ›Vier Ecken‹. Nur zum Reden, sonst nichts. Er brauchte jemanden, mit dem er reden konnte …
Nein. Er zwang sich, stehen zu bleiben. Konnte er denn wirklich vorgeben, dass er ihr Freund sein wollte? Man sprach von einer Freundschaft zwischen Mann und Frau, wenn einer den anderen lange Zeit begehrt hatte, aber niemals zum Ziel gekommen war. Ein solches Arrangement übte keinerlei Reiz auf ihn aus.
Aber was dann? Eine Ehe? Mit einer Frau, die nicht das richtige Blut und kaum Geld besaß? Undenkbar! Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er Ardee mit nach Hause nähme, um sie seiner Familie vorzustellen. Hier ist meine frisch gebackene Gattin, Vater! Gattin? Und welche Beziehungen pflegt sie? Mit wem ist sie verwandt? Bei dem Gedanken überlief ihn ein Schauder.
Aber was, wenn er etwas zwischendrin finden könnte, ein Arrangement, mit dem alle glücklich sein würden? Seine Füße setzten sich langsam wieder in Bewegung. Keine Freundschaft, keine Ehe, aber eine lockerere Beziehung? Schnellen Schrittes eilte er nun den Vier Ecken entgegen. Sie könnten sich im Geheimen treffen, reden, lachen … vielleicht irgendwo, wo es auch ein Bett gäbe …
Nein. Nein. Jezal hielt wieder an und schlug sich wütend gegen den Kopf. Das durfte er nicht geschehen lassen, selbst dann nicht, wenn sie dazu bereit war. West war eine Sache, aber was, wenn andere davon erfuhren? Seinen Ruf würde es sicherlich nicht beschädigen, aber der ihre wäre ruiniert. Ruiniert! Bei diesem Gedanken bekam er eine Gänsehaut. Das hatte sie nicht verdient, ganz sicher nicht. Und es ging auch nicht an, dass er sich einfach darauf zurückzog, dass das ihr Problem sei. Es ging nicht. Nur, damit er ein wenig Spaß haben konnte? Wie selbstsüchtig war das! Er war überrascht, dass ihm das noch nie zuvor aufgegangen war.
Und so hatte er sich in eine Ecke hineinmanövriert, in der er heute schon zehn Mal gestanden hatte: Nichts Gutes würde daraus erwachsen, wenn er sich mit ihr traf. Sie würden ohnehin schon bald in den Krieg reiten, und dann wäre es mit seiner albernen Sehnsucht nach ihr sowieso vorbei. Also ab nach Hause und ins Bett, und morgen zum Training. Üben, üben, üben, bis Marschall Varuz sie aus seinen Gedanken herausgeprügelt hatte. Er holte noch einmal tief Luft, straffte die Schultern und machte sich auf den Weg zum Agriont.
Die Statue von Harod dem Großen, die auf ihrer Marmorsäule in den Nachthimmel ragte, war fast so groß wie Jezal und wirkte viel zu wuchtig und großartig für den kleinen Platz in der Nähe des ›Vier Ecken‹. Auf dem Weg dorthin war er vor jedem Schatten zurückgezuckt, hatte andere Menschen gemieden und sein Bestes getan, um völlig harmlos
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