Kriegsklingen (First Law - Band 1)
lange her, aber sie hatten seine Leiche nie gefunden. Auch wenn man jetzt nur einen aus ihrer Bande herausgerissen hatte, so erschien es dem Hundsmann doch, als ob eine sehr große Lücke entstanden sei.
Dreibaum machte ein finsteres Gesicht, nahm sich einen Augenblick Zeit, dachte darüber nach, was zu sagen war. Es war schon gut so, dass er der Häuptling war und hier die rechten Worte finden musste, denn der Hundsmann war sich sicher, dass ihm selbst überhaupt nichts eingefallen wäre. Schließlich begann Dreibaum zu sprechen, so langsam, wie das Licht nach Sonnenuntergang schwindet.
»Dies hier war ein schwacher Mann. Der Schwächste, das steht fest. So war sein Name, und ist das nicht ein Scherz? Einen Mann den Schwächsten zu nennen. Der schlechteste Kämpfer, den sie finden konnten, um sich Neunfinger zu ergeben. Ein schwacher Kämpfer, zweifelsohne, aber mit einem starken Herzen, sage ich.«
»Joh«, meinte Grimm.
»Ein starkes Herz«, sagte Tol Duru.
»Der Stärkste«, murmelte der Hundsmann. Er hatte einen kleinen Kloß in der Kehle, wenn er ehrlich war.
Dreibaum nickte vor sich hin. »Man braucht schon ganz schön viel Mark in den Knochen, um dem Tod so ins Auge zu sehen, wie er es tat. Ihm entgegenzugehen, ohne zu klagen. Den Tod zu suchen. Und das nicht für sich selbst, sondern für andere, die er nicht einmal kannte.« Dreibaum biss die Zähne zusammen und hielt kurz inne, sah auf die Erde hinunter. Sie alle taten das. »Das ist alles, was ich zu sagen habe. Werde wieder zu Schlamm, Forley. Wir sind ärmer, und die Erde ist reicher von nun an.«
Dow kniete sich hin und legte seine Hand auf die frisch zugeschüttete Grube. »Wieder zu Schlamm«, sagte er. Der Hundsmann dachte ganz kurz, dass eine Träne von seiner Nase hinunterrann, aber das war sicher nur der Regen. Schließlich war er der Schwarze Dow. Er stand auf und ging mit gesenktem Kopf von dannen, und die anderen folgten ihm, einer nach dem anderen, zu den Pferden.
»Alles Gute, Forley«, sagte der Hundsmann. »Keine Angst mehr.«
Jetzt, so nahm er an, war er vermutlich der Feigling ihrer Bande.
UNGLÜCK UND ELEND
Jezal runzelte die Stirn. Ardee ließ sich Zeit. Das tat sie sonst nie. Sonst war sie stets schon da, wenn er auftauchte, egal, welchen Treffpunkt sie festgelegt hatten. Es gefiel ihm kein bisschen, auf sie zu warten. Schließlich musste er gewöhnlich auf ihre Briefe warten, und das ging ihm schon genügend gegen den Strich. Dass er hier nun wie ein Idiot herumstand, führte dazu, dass er sich noch ausgelieferter fühlte als sonst.
Missmutig sah er in den grauen Himmel hinauf. Hin und wieder fielen ein paar Regentropfen, die sehr gut zu seiner Stimmung passten. Von Zeit zu Zeit bekam er einen ab, einen winzigen Nadelstich auf seinem Gesicht. Er sah, wie die Tropfen Ringe auf die graue Oberfläche des Sees zeichneten, graue Schlieren vor dem Grün der Bäume und dem Grau der Mauern. Der dunkle Umriss des Hauses des Schöpfers erschien durch den Regen ein wenig verschwommen. Dieses Gebäude sah Jezal mit besonders großem Unwillen an.
Inzwischen wusste er kaum noch, was er von diesem Erlebnis halten sollte. Die ganze Sache war wie ein schlechter Fiebertraum gewesen, und er hatte beschlossen, einfach nicht mehr daran zu denken und so zu tun, als sei das alles nie passiert. Vielleicht wäre es ihm auch gelungen, wenn dieser verdammte Bau nicht immer irgendwo in seinem Blickfeld gewesen wäre, sobald er aus der Tür trat, und ihn daran erinnerte, dass die Welt voller Geheimnisse war, die er nicht verstand und die direkt unter der Oberfläche lauerten.
»Verdammt sei dieses blöde Gebäude«, murmelte er, »und dieser verrückte Bayaz ebenfalls.«
Mit bitterem Gesicht musterte er die feuchten Rasenflächen. Der Regen vertrieb die Menschen aus dem Park, und er war leerer, als Jezal es seit langem erlebt hatte. Einige traurig aussehende Männer saßen lustlos auf Parkbänken und dachten über ihre tragischen Schicksale nach, und einzelne Passanten eilten über die Wege von hier nach dort. Einer kam jetzt gerade auf ihn zu, in einen langen Mantel gehüllt.
Jezals finstere Miene hellte sich auf. Sie war es, das spürte er. Sie hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Es war zwar ein kühler Tag, aber das erschien ihm nun doch einen Hauch zu dramatisch. Er hätte nie gedacht, dass sie zu den Frauen gehörte, die sich vor ein paar Tropfen Regen fürchteten. Dennoch, er war froh, sie zu sehen. Geradezu lächerlich froh. Er
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