Kriegsklingen (First Law - Band 1)
lächelte und eilte ihr entgegen. Dann, als sie nur noch ein paar Schritte voneinander entfernt waren, schlug sie die Kapuze zurück.
Jezal starrte sie voll Entsetzen an. Über ihre Wange, um ihr Auge und bis hinunter zum Mundwinkel zog sich eine große rotblaue Schwellung! Einen Augenblick stand er wie erstarrt da und wünschte sich, obwohl das völlig blödsinnig war, dass er verletzt sei und nicht sie. Das hätte weniger wehgetan. Er merkte, dass er sich die Hand vor den Mund hielt und dass sich seine Augen geweitet hatten wie die eines kleinen Mädchens, das eine Spinne im Bad entdeckt, aber er konnte nichts dagegen tun.
Ardee warf ihm angesichts dessen einen bösen Blick zu. »Was ist? Haben Sie noch nie blaue Flecke gesehen?«
»Nun, ja, natürlich, aber … geht es Ihnen gut?«
»Natürlich.« Sie ging an ihm vorbei und eilte sodann den Weg entlang. Er musste sich beeilen, um mit ihr Schritt zu halten. »Es ist nichts. Ich bin gestürzt, das ist alles. Ich bin so ungeschickt. Das war schon immer so. Mein ganzes Leben lang.« Sie sagte das mit einiger Bitterkeit, wie er herauszuhören glaubte.
»Kann ich etwas für Sie tun?«
»Was könnten Sie denn tun? Pusten, damit es besser wird? Oder es wegküssen?« Wären sie allein gewesen, hätte er es vielleicht darauf ankommen lassen, aber ihr Gesicht zeigte ihm, was sie selbst von dieser Idee hielt. Es war seltsam – die blauen Flecken hätten abstoßend wirken sollen, aber das taten sie nicht. Überhaupt nicht. Stattdessen fühlte er das beinahe überwältigende Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen, ihr Haar zu streicheln, ihr beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern. Lächerlich. Sie hätte ihm wahrscheinlich eine Ohrfeige verpasst, wenn er das versucht hätte. Und er hätte sie vermutlich verdient. Sie brauchte seine Hilfe nicht. Davon abgesehen konnte er sie nicht berühren. Es waren Leute in der Nähe, verdammt noch mal, und überall Augen. Man wusste nie, wer einen beobachtete. Der Gedanke machte ihn mehr als nur ein bisschen nervös.
»Ardee … gehen wir nicht ein Risiko ein? Ich meine, was, wenn uns Ihr Bruder …«
Sie schnaubte. »Vergessen Sie ihn. Er wird gar nichts tun. Ich habe ihm gesagt, er soll seine Nase nicht in meine Angelegenheiten stecken.« Jezal musste unwillkürlich lächeln. Das war sicher eine amüsante Szene gewesen, dachte er. »Davon abgesehen habe ich gehört, dass Sie mit dem nächsten Gezeitenwechsel nach Angland auslaufen, und ich konnte Sie ja wohl schlecht gehen lassen, ohne mich von Ihnen zu verabschieden, oder?«
»Das hätte ich auch nie getan!«, sagte er, aufs Neue entsetzt. Schon allein zu hören, wie sie das Wort Abschied aussprach, schmerzte ihn. »Ich meine, ich hätte das Schiff eher ohne mich ablegen lassen, bevor ich ohne Abschied von Ihnen gegangen wäre!«
»Hm.«
Sie liefen eine Weile schweigend nebeneinander her, umrundeten den See, die Augen auf den Kies zu ihren Füßen gerichtet. Es war wohl kaum der bittersüße Abschied, den er sich bisher immer vorgestellt hatte. Es war nur bitter. Sie kamen an den Stämmen einiger Weiden vorüber, deren Zweige bis in das Wasser hinabhingen. Es war ein versteckter kleiner Platz, wo sie vor neugierigen Augen geschützt waren. Jezal vermutete, dass er für das, was er zu sagen hatte, keinen besseren Ort finden würde. Er warf ihr einen Seitenblick zu und holte tief Luft.
»Ardee … äh … ich weiß nicht, wie lange wir fort sein werden. Ich meine, es könnten vielleicht Monate sein …« Er kaute an seiner Oberlippe. Die Worte klangen nicht so, wie er gehofft hatte. Dabei hatte er diese kleine Rede mindestens zwanzig Mal geübt, vor dem Spiegel, bis er den richtigen Gesichtsausdruck perfektioniert hatte: ernsthaft, selbstbewusst, ein klein wenig bittend. Nun aber polterten die Worte in unsinnigem Durcheinander aus ihm heraus. »Ich hoffe, dass, ich meine, vielleicht, ich hoffe, Sie werden auf mich warten?«
»Ich gehe mal davon aus, dass ich noch hier sein werde. Ich habe ja sonst nichts zu tun. Aber keine Sorge, Sie werden in Angland viel Ablenkung haben – Krieg, Ehre, Ruhm und all so was. Sie werden mich schnell vergessen.«
»Nein!«, rief er laut und packte sie am Arm. »Nein, das werde ich nicht!« Schnell zog er die Hand wieder weg, aus Angst, es könne ihn jemand sehen. Immerhin sah sie ihn jetzt an, vielleicht ein wenig überrascht darüber, wie heftig sein Nein ausgefallen war – wenn auch nicht halb so überrascht wie er.
Jezal betrachtete
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