Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
er zum erhabenen Schöpfer des großfränkischen Reiches wird, dann spricht Katholik Fleckenstein von einer »politischen Integration« und kann auch gleich noch betonen, es sei dies »kein einmaliges Ereignis ... sondern ein Vorgang, der eine Daueraufgabe einschließt«. Sehr wahr. Ist das »Abendland« doch, so Fleckenstein (aber fast alle Historiker schreiben so) »schon bald über die deutsche Ostgrenze hinausgewachsen«; was an einen ganz harmonischen Wachstumsprozeß in der Natur erinnert, im Menschenleben, an die Entfaltung eines Baumes, das Entwachsen aus den Kinderjahren ... Manche Fachleute formulieren sogar freundlicher, unschuldiger noch, scheinheiliger, wie Camill Wampach, weiland Professor an der Universität Bonn: »Das Land lud zur Einwanderung ein, und das anstoßende fränkische Gebiet hatte Bewohner für das freigewordene Neuland abzugeben.« 87
Man kann indes das, worum es ging, deutlicher durchblicken und doch die »Größe« darunter nicht leiden, eher gar größer erscheinen lassen: »Groß war Karl als Eroberer gewesen. Noch Größeres verlangte von ihm die Aufgabe, eine neue Ordnung der Dinge da aufzubauen, wo er seither als Zerstörer erschienen.« Erst erobert man also, zerstört. Dann baut man eine »neue Ordnung« auf. Von dieser »neuen Ordnung« aus zerstört man jenseits der Grenzen weiter, baut entweder, wo man erneut »als Zerstörer erschienen«, wieder eine »neue Ordnung« auf oder führt abermals Grenzkriege, wenn man keine »neue Ordnung« aufbauen kann – und wird derart immer größer. 88
Zitiert wurde aus einer älteren »Geschichte des Bisthums Hildesheim« (1899), die einen nicht unbekannten Kleriker zum Verfasser hat, den damaligen Domkapitular Adolf Bertram, einen »nüchternen Niedersachsen« (Volk S.J.). Dieser Nüchterne konnte natürlich nicht nur den hl. Karl feiern, sondern, als Kardinal und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, auch einen weiteren Eroberer und Neuordner im Süden, Westen, Osten, den zwar nicht heiliggesprochenen, doch auch nie exkommunizierten Hitler, bei dessen Annexion Österreichs beispielsweise Primas Bertram nicht versäumte, »Glückwünsche und Dank ... ehrerbietigst auszusprechen und feierliches Glockengeläute am Sonntag anzuordnen«. Versicherte er ja noch am 10. April 1942 »dem hochgebietenden Herrn Führer und Reichskanzler«, daß die deutschen Bischöfe beten »um weitere siegreiche Erfolge des brennenden Krieges ...«
Denn Kirchenfürsten stehen, nüchtern oder nicht, wenn irgend möglich, immer bei den Star-Banditen der Geschichte, wie sich hier fort und fort zeigen wird, weil diese stets (vorerst) die erfolgreichsten sind, und nichts beeindruckt Kirchenfürsten mehr als Erfolg, besonders der Waffenerfolg (post festum werden sie gern Widerstandskämpfer). So erklärte ein frenetischer Unterstützer des Ersten und Zweiten Weltkriegs wie der Kardinal-Erzbischof von München-Freising, »Widerstandskämpfer« Faulhaber: »Wenn die Welt aus 1000 Wunden blutet und die Sprachen der Völker verwirrt sind wie in Babylon, dann schlägt die Stunde der katholischen Kirche!« Bekannte doch schon im 5. Jahrhundert – wo sich auch Augustinus bereits sehr für den Krieg, selbst für Angriffskriege, erwärmte – Kirchenvater Theodoret: »Die geschichtlichen Tatsachen lehren, daß uns der Krieg größeren Nutzen bringt als der Friede.« 89
Aber noch ein so kirchenkritischer und bedeutender Historiker wie Johannes Haller schwärmt – nebenbei: 1935 – von »den Verdiensten des großen Königs« Karl und schreibt lapidar, daß die Unterwerfung der Sachsen für das fränkische Reich »eine gebieterische Forderung der eigenen Sicherheit und daß sie nur mit rücksichtsloser Gewalt durchzuführen, daß also das Recht nicht ausschließlich auf Seiten der Sachsen war. Auch darf man nicht vergessen, daß es sich um die Einverleibung eines Naturvolks in einen geordneten Staat, also um die Ausbreitung des Reiches menschlicher Gesittung handelte ...« 90
Doch wo Geschichte »mit rücksichtsloser Gewalt« geschieht, vollzieht sich da »die Ausbreitung des Reiches menschlicher Gesittung«? Offensichtlich – und entsprechend geht diese immer weiter, in Europa, Amerika, darüber hinaus, vor allem unter christlichem Vorzeichen: fortgesetzte schreiende Ausbeutung und ein Krieg nach dem andern – doch keine Übertreibung! –, bis schließlich der Untergang Europas oder gar der Menschheit droht, der Jesuit Hirschmann aufruft, den »Mut, unter
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