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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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sogar, sind sie unschuldig, der Kerker, der Strang, der elektrische Stuhl – auf die großen Verbrecher warten die Elogen der Historiker und Geschichtsphilosophen. 84
    Es ist klar, haben ganze Generationen solche Präzeptoren, werden sie auch von jedem welthistorischen Schandkerl mißbraucht. Stünde es nicht anders um Menschheit und Geschichte, würden diese von der Geschichtsschreibung – und Schule! –
ethisch
durchleuchtet und geformt? Würden die Verbrechen der Herrschenden nicht gefeiert, sondern verdammt? Die meisten Historiker aber breiten den Dreck der Vergangenheit aus, als wäre er der Humus für künftige Paradiese. Und gerade die deutsche Geschichtswissenschaft hat die tradierte Form der Geschichte, der Gesellschaft, die überlieferte »Ordnung« – in Wirklichkeit ein soziales Chaos, ein fortgesetzter innerer und äußerer Krieg – gestützt statt zu ihrem Sturz beizutragen. Gerade die deutsche Geschichtsschreibung war besonders an das nationale Apriori gebunden. Sie geriet im 19. Jahrhundert immer mehr in den Sog der nationalstaatlichen Idee, eines patriotischen Optimismus und Aufstiegsglaubens. Sie wurde dadurch stärker beeinflußt als die Geschichtswissenschaft anderer Länder, aber sie beeinflußte diese Tendenz auch wieder ihrerseits stark. Dagegen hat sie die Verschränkung politischer und gesellschaftlicher Vorgänge, also die Sozialgeschichte – die hier eine beträchtliche Rolle spielen wird –, zumal mit ihren großen Ansätzen Ende des 19. Jahrhunderts wenig beachtet, fast geächtet, diente selbst für den später zur liberalen Linken wechselnden Friedrich Meinecke noch im Ersten Weltkrieg »unser Staat, unsere Machtpolitik, unser Krieg den höchsten Gütern unserer nationalen Kultur«; vertrat Deutschland »die nationale Idee in ihrer höchsten Form«, der Feind »den rohen Nationalismus«. Und noch nach Hitler, als man doch da und dort aufzuwachen begann, tendiert die große Mehrheit der Historiker, auch jenseits unserer (durch Großmachtpolitik stets kleineren) Grenzen, wenn nicht zur falschen Idealisierung, zur Vergötzung des Staates, so doch weiter zu seiner Rechtfertigung, Verteidigung, ist die deutsche Historiographie auch der jüngsten Zeit weniger von sogenannten wissenschaftlichen Gesichtspunkten als von der Projektion gewisser Tagesinteressen in die Vergangenheit bestimmt, von »der deutschen Nachkriegsgeschichte mit ihren deutlich restaurativen Tendenzen« (Groh). 85
    Noch übler aber als das nationalpolitische oder »europäische« Denken – meist nichts als ein größerer, schlimmerer Nationalismus – steckt in den Köpfen, leider nicht nur der Historiker, das machtpolitische, das imperialistische Denken an sich, und es ist ekelhaft, dazu immer wieder, bei kirchlichen wie nichtkirchlichen, sogar antikirchlichen Gelehrten, dieselben Beschönigungen zu lesen.
    Ich bringe hierzu nur wenige Hinweise auf Karl »den Großen«, einen nahezu allseits in den Himmel gehobenen Helden, der in sechsundvierzigjähriger Regierung fast unentwegt Krieg, beinah 50 Feldzüge, geführt und in seinem »imperium Christianum« (Alkuin), dem »regnum sanctae ecclesiae« (Libri Carolini) so gut wie alles im Nordosten und Süden, Hunderttausende von Quadratkilometern, zusammengeraubt hat – worauf er 1165 von Paschalis III., Gegenpapst Alexanders III., heiliggesprochen, diese Kanonisation durch Gregor IX. bestätigt und durch spätere Päpste nicht für ungültig erklärt worden ist: noch ich feierte als Kind meinen Namenstag am Tag des hl. Karl »d.Gr.«.
    Die Historiker unterstellen einem solchen Mann natürlich nicht Raubkriege größten Stils, Brand, Mord, Totschlag, grauenhafte Versklavung – wer so formuliert, ist von vornherein unseriös. 86 Echte Forscher, aus Fachkreisen, verfügen über ganz andere Beurteilungskategorien, sprechen bei den schlimmsten Raubzügen und Massenabschlachtungen der Geschichte allenfalls von Expansionen, Ausgriffen, Ausstrahlungen, Schwerpunktverlagerungen, Umlagerungsprozessen, Eingliederungen in den Herrschaftsbereich, Christianisierung und Befriedung von Grenzvölkern.
    Wenn Karl »der Große« ringsum alles unterjocht, ausbeutet, abmurkst, dann ist dies »Zentralismus«, »Friedensbewahrung in einem Großreich«. Rauben und töten die andern, dann sind dies »Raub- und Plünderungszüge der äußeren Feinde (Sarazenen, Normannen, Slawen, Awaren)« (Kämpf). Wenn Karl, den Sattel voller heiligster Reliquien, brandschatzt und mordet im Weltmaßstab, wenn

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