Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike
erfüllt waren«.
P. Kawerau 2
Auch unter Kaiser Leo I. fordert Papst Leo fortgesetzt Gewalt gegen »die Verbrecher« und verwirft jede Verhandlung
Pulcheria, deren »dem Herrn gefällige Sorge eines heiligen Herzens« der Papst so gern gelobt, nicht ohne hinzuzufügen, sie solle »auch in Übung bleiben«, starb im Juli 453, Marcian am 26. Januar 457 – Leos Beten um langes Leben für die Majestät blieb unerhört.
Man trug angeblich dem mächtigen Magister militum Flavius Ardabur Aspar, einem arianischen »Ketzer«, Sohn einer Gotin und eines hohen Alanen, die Kaiserwürde an. Doch Aspar, von 424 bis 471 römischer General, aber kein Parteigänger der Orthodoxie, lehnte ab (oder wurde abgelehnt). So erlangte, nach manchen mit seiner Hilfe, am 7. Februar einer seiner Offiziere den Purpur, Leo I. (457–474), dessen unbegründetes Mißtrauen schließlich der im Dienst dreier Kaiser bewährte Aspar zum Opfer fiel. Ließ Leo doch, ein strenger Katholik wiederum – der sehr auf Heiligung der Feiertage geachtet, besonders den Säulenheiligen Daniel verehrt und von kirchlicher Seite den Beinamen »der Große« bekommen hat –, 471 im kaiserlichen Palast Aspar und seinen von ihm, Leo selbst, zum Cäsar erhobenen Sohn Patricius ermorden, wobei auch der bigotte Katholizismus des Herrschers gegenüber seinem arianischen und antichalkedonisch gesinnten Opfer eine Rolle spielte. 16
Als nach Kaiser Marcians Tod (457) die monophysitische Opposition immer mehr erstarkte, betonte Papst Leo immer entschiedener die Verbindlichkeit des Glaubensdekrets von Chalkedon; »jegliche erneute Verhandlung« dessen wollte er unterbinden, »was auf Eingebung Gottes beschlossen wurde« oder, wie er ein anderes Mal schrieb, »was eine so bedeutende Autorität (tanta auctoritas) durch den Heiligen Geist bestimmte«. So lehnte Leo nicht nur selber eine Einladung nach Konstantinopel ab, sondern wies auch seine Legaten an, sich nach Überreichung seines Lehrschreibens vom 17. August 458 (eine Art Ergänzung zu dem Lehrschreiben an Flavian, darum später Tomus II genannt) in keinerlei Diskussion einzulassen. 17
Unermüdlich aber trieb der Römer weiter gegen die »häretische Verkehrtheit« so vieler im Osten, besonders in Konstantinopel, Antiochien, in Ägypten. Überall wollte er durchsetzen, wie er Bischof Julian schrieb, was in Chalkedon »unter Anleitung des Heiligen Geistes zum Heile der ganzen Welt verfügt worden ist«. Um dieses »Heiles« willen wandte er sich an Bischöfe, Presbyter, Diakone, schickte er Gesandte, wie am 17. August 458 die Bischöfe Domitianus und Geminianus, an den Hof, schrieb er immer wieder auch an den neuen Kaiser Leo, über dessen Tugenden sich »der römische Staat und die christliche Religion freuen dürfen«. Doch wie immer, wenn die Kirche nachdrücklich das »Heil« für sich erstrebt, konnte nur, mußte Unheil für andere daraus entstehen. Forderte Papst Leo ja den kaiserlichen filius ecclesiae dringend zu entsprechenden Aktionen auf, zur Wiederherstellung der »Christiana libertas«; was, falls möglich, immer heißt: Unfreiheit für alle andern. Beschwört er den Kaiser doch, »daß er, eingedenk des gemeinsamen Glaubens ... alle häretischen Machenschaften vereitle«, stachelt ihn selbst immer wieder auf, den »Mörderhänden gottloser Leute« zu widerstehen, der »großen Arglist«, der »Schlechtigkeit der Häretiker«, drängt darauf, »die Verbrecher« zu bestrafen. Er fordert Säuberung des Klerus, verlangt, daß der Fürst »über die Feinde der Kirche triumphiere; denn wenn es für euch ruhmvoll ist, die Waffen gegnerischer Völker zu vernichten [!], wie groß wird dann erst euer Ruhm sein, wenn ihr die alexandrinische Kirche von ihrem rasenden Tyrannen befreit!« Man sieht hier, wie immer wieder, worum es Päpsten geht: Vernichtung der äußeren Reichsfeinde und Vernichtung aller inneren Gegner. »Erkenne, verehrungswürdiger Kaiser ... was du deiner Mutter Kirche an Hilfe schuldest, die sich deiner als ihres Sohnes in besonderer Weise rühmt.« Waffen, Gewalt wollte Leo »der Große« eingesetzt wissen, aber kein Konzil, kein Religionsgespräch. Er verabscheute Dispute überhaupt, zumal in Glaubensfragen. Auch gegenüber dem Kaiser betont er wiederholt, jede Möglichkeit einer Verhandlung müsse ausgeschlossen werden – und behauptet doch zugleich: »Wir sind nicht rachsüchtig, aber wir können uns nicht mit den Dienern des Teufels verbinden.« 18
Zur radikalen Intoleranz auch noch, wie
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