Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike
Bischof, von dem ein so verabscheuungswürdiges Verbrechen angeordnet worden war. All diese Leute sagten mit gleichen Worten ein und dasselbe aus. Dabei kamen Abscheulichkeiten zutage, die wir kaum anhören konnten. Keusche Zuhörer durch offenere Aussprache verletzen zu müssen, das erlassen uns die Beweisakten, aus denen sich aufs deutlichste ergibt, daß sich keinerlei Zucht, keinerlei Ehrbarkeit, keine Spur von Schamhaftigkeit bei dieser Sekte findet, deren Gesetz die Lüge, deren Religion der Teufel, der Opfer die Schande ist«. 52
Schließlich erwirkte Papst Leo zur Aufrechterhaltung der »öffentlichen Ordnung« von Kaiser Valentinian ein verschärfendes Reskript vom 19. Juni 445, das die früheren Strafen wiederholte, die Manichäer ebenso zu behandeln befahl wie die Schänder eines Heiligtums, ihnen im ganzen Reich die bürgerlichen Rechte und Ehren absprach und den Manichäismus ein »publicum crimen« nannte, »toto orbi« verdammenswert. Dabei machte sich jeder, der Unterschlupf gewährte, desselben Verbrechens schuldig. Die Mittäter verloren auch die Vertragsfreiheit, das aktive wie passive Erbrecht u.a. »Kein Übersehen«, heißt es einleitend, »dulden mehr die neuerdings aufgedeckten Verbrechen der Manichäer. Welch ungeheure, unsäglich und unerhört schamlose Dinge sind nicht im Gericht des seligsten Papstes Leo vor dem erlauchten Senat durch ihr eigenes offenes Geständnis aufgedeckt worden ... Davon Kenntnis zu nehmen, können wir nicht umhin, da es uns nicht ansteht, gegenüber einer so verabscheuenswerten Beleidigung der Gottheit lässig zu sein«. Dieser kaiserliche Befehl zur Manichäerverfolgung, der einmal mehr die enge Verzahnung von Staat und Kirche, Recht und Religion zeigt, res Romana und ecclesia Romana, war in der päpstlichen Schreibstube aufgesetzt worden, der Papst selbst hatte daran »maßgeblichen Anteil«, wie Jesuit Hugo Rahner schreibt, nachdem er kurz zuvor Leos »feine und humane
Mitte zwischen Diesseits und Weltflucht«,
kurz danach »die von Leo so oft gepriesene Liebe«, »Leos Humanität als eine säkulare Tat« gefeiert hat. In Wirklichkeit war das von ihm veranlaßte Gesetz gegen die Manichäer »von einer drakonischen Härte« (Katholik Ehrhard), ließ er die Manichäer bis in ihre »letzten Schlupfwinkel hinein« verfolgen (Katholik Stratmann). 53
Derselbe Leo aber, der den Staat zu brutaler Verfolgung treiben konnte, konnte ebenso wieder edle Nachsicht und Vergebung von ihm fordern. »Die strenge Herrschaft gegen unsere Untergebenen soll gemildert und jede Rache für ein Vergehen aufgehoben werden! Freuen mögen sich die Schuldigen, daß sie noch diese Tage gesehen haben, an welchen unter der Herrschaft frommer und gottesfürchtiger Fürsten auch die harten öffentlichen Strafen nachgelassen werden! Aufhören möge aller Haß ...« Derselbe Leo, der den Staat aufhetzt, »Ketzer« zu richten, zu verbannen, einzukerkern, zu töten, konnte auch wieder ganz christevangelisch bitten: »Aufhören soll alle Rache und jede Beleidigung vergessen sein!« ... »Wenn also einer gegen irgend jemand so von Rachsucht erfüllt ist, daß er ihn ins Gefängnis warf oder in Fesseln legte, so möge er schleunigst seine Befreiung herbeiführen, nicht nur, wenn er unschuldig ist, sondern selbst dann, wenn er die Strafe verdient zu haben scheint!« Derselbe Leo konnte rufen: »Niemand soll an uns einen Bedrücker haben ...« Derselbe Leo wußte, daß Jesus es verbot, »ihn mit bewaffneter Hand gegen die Gottlosen« zu verteidigen. 54
Papier, Papier, Papier!
Die Überweisung der Manichäer durch den Papst an die Kriminalgerichtsbarkeit des Staates entsprach zwar den juristischen Normen, den kaiserlichen »Ketzer«-Gesetzen, aber neu war die enge Kollaboration zwischen dem geistlichen und weltlichen Gericht. Und wie man die Enthauptung Priscillians und seiner Gefährten den ersten blutigen »Ketzer«-Prozeß nennen konnte, so Leos Manichäerattacke den ersten »Inquisitions«-Prozeß, trifft dies auch, streng juristisch geurteilt, nicht zu. 55
Leos englischer Biograph Trevor Jalland findet das Vorgehen des Papstes nicht nur erhellend für seinen Charakter, sondern nennt seine Manichäerjagd auch »the first known example of a partnership between Church and State in carrying out a policy of religious persecution«. Bisher habe der Staat allein die Heterodoxen unterdrückt, jetzt zum erstenmal die Kirche, in der Person des Papstes, diese Aufgabe übernommen; wobei freilich an die
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