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Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike

Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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ihr die Schlüsselrolle vorenthalten blieb, ewig für Unfrieden gesorgt, und »Befriedigung« hieß jetzt, wie die Geschichte zeigt und fortan immer zeigen wird, besteht irgendwie die Möglichkeit dazu: Unterdrückung aller anderen Religionen. So verstand es auch Papst Hormisdas, der dem Kaiser schrieb: »Sehet, wie sehr noch täglich der Wahnwitz des alten Feindes wütet. Während doch die Sache längst durch ein Endurteil entschieden ist, erleidet der Friede Verzögerung ...« Der Papst aber wollte »zur Liebe zurückkehren«, wollte Frieden, jenen Frieden freilich, den er auch dem Kaiser mit dem pseudopazifistischen Bibelwort rühmt: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind! Denn guten Willens sind da stets die nur, die wollen, was Rom will. Knapp und treffend kommentiert Berthold Rubin in seiner brillanten Justinian-Monographie: »Friede für die Gesinnungsgenossen, Krieg und Terror für die Andersdenkenden«. 11

Kaiser Justinian – Beherrscher der Kirche

    Justinian I. (527–565), wie Onkel Justin ein makedonischer Bauernsohn, aber vorzüglich gebildet, ist bei Beginn seiner Regentschaft 45 Jahre alt. Ein Pykniker, mittelgroß, rundgesichtig, frühzeitig kahl, vermutlich ein dinarischer Typ, ein Mensch voller Widersprüche und Rätsel, damals und heute Halbgott und Satan je nach Sicht. In ihm verbinden sich geistige Wachsamkeit mit fast einzigartigem Fleiß, Mißtrauen und Neid. Er war gründlich, energisch, auch rabulistisch und verheuchelt, ein bedenkenloser Intrigant. Er aß wenig und fastete manchmal tagelang. Er wollte alles selber machen – ein detailverliebter, mitunter bis zur Pedanterie gehender besessener Schaffer. Er schlief wenig, der »schlaflose Kaiser«, angeblich oft nur eine Stunde – der »wachsamste aller Kaiser«. Allnächtlich soll er mit Bischöfen und heiligen Männern disputiert haben. Er »sitzt immer nachts ohne Bewachung beim Gespräch«, behauptet Prokopios, das berühmte Vorbild byzantinischer Historiographie, in seiner »Geheimgeschichte«, »und will mit greisen Priestern die Rätsel des Christentums spitzfindig ergründen«. Er verläßt kaum den Palast und regiert die Welt sozusagen vom Schreibtisch aus. Mit Hilfe seiner Generale Belisar und Narses erzwingt er die Rückeroberung und Katholisierung des Westens. Drei Viertel seiner fast vierzigjährigen Regierungszeit sind Kriegsjahre. Dabei fühlt er sich als Stellvertreter Gottes auf Erden und somit selbstverständlich auch als Herr der Kirche, wie jeder Kaiser von der früh- bis zur spätbyzantinischen Zeit, während der Patriarch nur der Hofbischof ist, sein Diener – wie jeder Patriarch, jeder Papst. Seine Unterschrift nennt er »göttlich«, sein Eigentum, sich selber »heilig« (die Päpste übernahmen diese »Heiligkeit« bald), alle Gebäude seines Palastes sind geheiligt – man erinnere sich an Konstantin I., den Heiland, Erlöser, der sich »Unsere Gottheit« nannte (I 241 ff).
    Wie Justinian politisch rastlos tätig war, so auch theologisch, und dies derart, daß man sagen konnte, er habe seinen Beruf verfehlt. Freilich, nur für die einen ist er Experte, für die anderen eine Art unglücklicher Liebhaber der Theologie, ein Amateur. Obwohl beinah bis ans Lebensende Katholik, der an den Lehren Roms, nicht ohne opportunistische Zickzackkurse, festhält, fühlt er sich doch als Gesetzgeber der Kirche, als ihr Herr und Meister. Er bestimmt die Termine für die Synoden, er behält sich das Recht für die Einberufung eines ökumenischen Konzils vor und stellt die Synodalkanones den Staatsgesetzen gleich. Er entscheidet selbstherrlich Glaubensprobleme, erläßt Glaubensdekrete. Er besetzt die Bischofsstühle, wie es ihm paßt, im Osten allerdings längst nicht mehr ungewöhnlich. Er ist aber nicht nur kirchlicher Gesetzgeber, er dekretiert nicht nur »Wie Bischöfe und andere Geistliche zur Weihe zugelassen werden sollen«, »Was für ein Leben die Mönche führen sollen« et cetera, sondern er ist auch theologischer Autor, verfaßt sogar Kirchenlieder. Zumal im Alter insistiert er immer eindeutiger auf der Theologie. Er erbaut die Hagia Sophia und bezahlt dafür angeblich 320000 Pfund Gold. Schossen ja unter seiner Regierung in allen Provinzen Kirchen und Klöster nur so aus dem Boden; war er doch ein fast leidenschaftlicherer Baumeister noch als Konstantin I. Justinian, der die Wiederherstellung des Imperiums erstrebt, ist aber nicht bloß der Gebieter der Catholica, sondern

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