Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike
zusammenströmten, um ihm zu huldigen. »Welche Wendung durch die Hand des Höchsten«, jubelte jetzt auch sofort Papst Simplicius und verlangte immer wieder Absetzung und Verbannung seiner Gegner im Osten, des Paul von Ephesus, Petrus Fullo, des Timotheos Ailuros und vieler anderer, verlangte, daß er nun mit Gottes Hilfe die »Tyrannen der Kirche« vertreibe, verlangte »ein Exil ohne Wiederkehr« (ad inremeabile ... exilium). Sogleich stellte sich der Papst jetzt ganz auf die neue Lage ein. Er tat so – ein plumper, durch die Jahrhunderte bis in die Nach-Nazizeit fortdauernder Pfaffenbluff –, als habe er niemals mit dem vertriebenen Basiliskos kontaktiert (erst sein »glorreicher und gnädigster Sohn und erhabener Kaiser«, der »christianissimus princeps«, dann der »Tyrann«; für Nachfolger Felix III.: der »häretische Tyrann«!). Tat so, als habe er um dessen Gunst nicht ebenso gebuhlt wie jetzt um die Zenons. Als habe er Basiliskos nicht genauso an seine großen Vorbilder Marcian und Leo I. erinnert, wie er jetzt Zenon an sie erinnerte! Die päpstliche Epistel »trieft gleichsam von salbungsvoller Unterwürfigkeit, von devoter Schmeichelei und überschwenglichem Lob für den Kaiser« (Ullmann).
Zenon hatte den Römer zunächst durch ein orthodoxes Glaubensbekenntnis ungemein erfreut, auch auf sein Drängen die Verbannung des Timotheos Ailuros verfügt, die freilich dessen Tod am 31. Juli 477, gerade als er abgeführt werden sollte, verhinderte; es hieß, er habe sich vergiftet. Sein monophysitischer Archidiakon und Nachfolger Petros III. Mongos vermochte sich nur 36 Tage auf dem Patriarchenstuhl zu halten. Dann eroberte diesen eine Mönchsopposition dem Katholiken Salophakiolos zurück, wobei es zu blutigen Kämpfen in der Stadt gekommen und Petros Mongos zur Deportation verurteilt worden, aber, unaufgreifbar, untergetaucht war. Alexandrien hatte nun zwei Patriarchen: einen, den man sah, aber nicht achtete; und einen, den man achtete, aber nicht sah.
Zenon indes, der mit Hilfe der Orthodoxie und des Akakios in Konstantinopel die Macht wiedergewonnen hatte, lag begreiflicherweise mehr an seiner Residenzstadt als an Rom oder gar an dessen servilem Bischof und dekretierte bald deutlich genug: »die Kirche von Konstantinopel ist die Mutter unserer eigenen Frömmigkeit und aller rechtgläubigen Christen, und dieser heiligste Stuhl unserer Stadt soll rechtgültig für alle Zeiten alle Privilegien und Ehren hinsichtlich der Weiherechte der Bischöfe und den Vorrang vor allen anderen haben, wie sie vor unserem Herrschaftsantritt anerkannt waren«. Zugleich suchte Zenon zwischen den beiden streitenden kirchlichen Parteien zu vermitteln, indem er 482. in Briefform an die Christen Alexandriens, Ägyptens, Libyens und der Pentapolis ein Unionsdekret, ein förmliches Glaubensedikt erließ. 34
Ein Friedenspapst regiert nicht lang
Papst Anastasius II. (496–498), unter dessen Pontifikat die Weltgeschichte machende Bekehrung des Frankenkönigs Chlodwig geschah, schien mehr oder weniger bestrebt, mit seinen eigenen Worten, »den Völkern den Frieden zu bringen«. Schon in seinem ersten Brief an Kaiser Anastasios I. schreibt Papst Anastasius II.: »Das Herz Eurer milden Majestät ist der heilige Schrein (sacrarium) der öffentlichen Wohlfahrt«. Ja, er schreibt, daß ihm, dem Kaiser, »Gott als seinem Stellvertreter auf Erden [!] den Vorsitz zu führen befohlen habe«. Offensichtlich wollte dieser Papst Verhandlungen mit dem Herrscher, wollte er das Schisma beenden. Wirklich ging er mit seinen Versöhnungsbemühungen gegenüber Ostrom so weit, daß ein Teil seines Klerus sich von ihm trennte und eine Partei gegen ihn bildete, die ihn auch der »Ketzerei« verdächtigte. Selbst der Verfasser des offiziellen »Liber Pontificalis«, der jetzt entstand, klagt ihn an: »Er wollte insgeheim den Akakios zurückrufen und vermochte es nicht. So starb er von der Strafe Gottes getroffen« (voluit occulte revocare Acacium et non potuit; qui nutu divino percussus est). Dies Urteil, vom Decretum Gratiani ebenso wie von Dantes »Divina Commedia« übernommen, bestimmte das schiefe Bild des Papstes in der Geschichte. 1982 aber attestiert ihm selbst das mit Imprimatur erschienene »Handbuch der Kirchengeschichte« »eine vernünftige Politik«. Schon am 19. November 498 freilich raffte ihn ein plötzlicher Tod hinweg. Er konnte nicht einmal, wie üblich, die Wahl seines Nachfolgers sichern. Und nun brach in Rom wieder ein lokales
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