Kriminalgeschichte des Christentums Band 02 - Die Spaetantike
üblich, die Schönfärberei. Leos letzter Satz erinnert fatal an den früher zitierten und kommentierten des hl. Hieronymus:.»Auch wir wünschen den Frieden, und wir wünschen ihn nicht nur, wir fordern ihn, aber den Frieden Christi, den wahren Frieden« (S. 144). Dieselbe Haltung, dieselbe Heuchelei.
Leos Schreiben in den Osten sind reine, in fromme Phrasen verpackte Hetzbriefe. Sie kreisen stets um ein und dasselbe Thema, sie dringen immer auf Unterjochung, Ausschaltung, Vernichtung des Gegners, der immer und immer wieder als gottlos, boshaft, satanisch, verbrecherisch beschimpft, der plump verteufelt wird. Nur »der Antichrist und der Teufel«, suggeriert der Papst Kaiser Leo I. am 1. Dezember 457, würden die »uneinnehmbare Festung« zu berennen wagen. Nur jene, die »in ihres Herzens Bosheit sich nicht bekehren lassen«, die »unter dem Schein des Seeleneifers ihre Lügensaat ausstreuen und vorgeben, es sei die Frucht ihres Forschens nach Wahrheit«. Zügellose Wut und blinder Haß habe »Taten ausgeheckt, die man nur mit Verachtung und Abscheu nennen kann – aber ... Gott der Herr hat Eure Majestät so reich gemacht an Erleuchtung über seine Mysterien. Darum dürft Ihr niemals vergessen: Die kaiserliche Gewalt ist Euch nicht nur verliehen zur Regierung der Welt, sondern vor allem [!] zum Schutz der Kirche (sed maxime ad Ecclesiae praesidium) ... Nun denn: etwas Großes wäre es für Euch, wenn Ihr zu Eurem Kaiserdiadem von des Herrn Hand auch noch die Krone des Glaubens erhieltet, wenn Ihr über die Feinde der Kirche einen Triumph feiern könntet!« 19
Es sind immerhin Christen, Priester, deren Zerschlagung der Papst vom Kaiser fordert, Christen, Priester, die er verachtet, verabscheut, die er der Lüge, des Hasses zeiht, zügelloser Wut, die er »Antichrist« und »Teufel« nennt – eine freilich seit Anbeginn in den »besten«, den führenden christlichen Kreisen grassierende Sprache (I Kap. 3).
Viele Apologeten, die Studien kritischer Forscher, wie Erich Caspar, mehr noch Arbeiten von Eduard Schwartz, Johannes Haller und vielen andern, durch ihre »ausschließlich politische Betrachtung« als »belastet« abwerten, haben ihrerseits größte Mühe, das Hauptmotiv der Päpste nicht als politisches, sondern, natürlich, wie etwa Fritz Hofmann, als »
ein echt-religiöses
« erscheinen zu lassen – und müssen doch selber »betonen«, daß der »Kampf um Chalkedon«, mehr als ein halbes Jahrhundert das »Zentrum aller päpstlichen Bemühungen«, sich »weithin auf der
politischen
Ebene« abgespielt hat. 20
Was sich aber weithin auf der
politischen
Ebene abspielt, das
ist
auch weithin
politisch,
hauptsächlich
politisch,
im Grunde sogar nur
politisch
– ein einziger Kampf um die Macht: die Macht innerhalb der eignen Kirche; Macht innerhalb konkurrierender Kirchen; und um Macht gegenüber allen anderen. Die Geschichte beweist dies! Das Religiöse wird bloß vorgeschoben. Es ist nur Mittel zum Zweck. Daß viele und gerade gutwillige, gutgläubige – aber nicht gut informierte – Christen dies ganz anders sehen, empfinden, erleben, ändert nichts an den Tatsachen, der Wirklichkeit. Zwar gehören auch diese Christen, gehören auch und gerade die »religiösen Kräfte« zu dieser Wirklichkeit, ja, machen sie, als ihre Basis, ihre Voraussetzung, überhaupt erst möglich. Doch all das bleibt »privat« – und was sich seiner skrupellos-zynisch bedient, es lebenslang furchtbar mißbraucht (mitunter noch mit der Ausrede, der Selbsttäuschung »Mich erbarmt des Volks«), das macht Geschichte, Weltgeschichte: Kriminalgeschichte.
Papst Simplicius hofiert Thronräuber Basiliskos und Kaiser Zenon
In Rom war auf Hilarus inzwischen Simplicius (468–483) gefolgt. Und der neue Papst, der die Orientpolitik wieder zur Hauptsache seines Amtes machte, umschmeichelte den Thronräuber nicht minder devot wie einen legalen Herrscher, das heißt er verhielt sich wie ungezählte andre Päpste in solchen Fällen auch.
»Schon wenn ich auf die Verehrung schaue, mit der ich stets zu den christlichen Kaisern untertänig aufblicke«, begann er eine agitatorische Huldigung am 10. Januar 476, »hege ich den Wunsch, diesem mich verpflichtenden Gefühl in ununterbrochenem Briefverkehr mit Euch Ausdruck zu verleihen.« Simplicius sprach von seiner »untertänigsten«, seiner »liebenden Verehrung zu Eurer Majestät«, seiner Pflicht, »Euch, glorreicher und gnädigster Sohn und erhabener Kaiser, geziemend zu begrüßen«. Dann
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