Kriminalgeschichte des Christentums Band 03 - Die Alte Kirche
leichter, als wer als Reicher plötzlich seinen Reichtum verliere, weshalb er eben auch bevorzugt werden müsse. Den Armen aber verspricht Bischof Gregor »die höchsten Stellen im Himmelreich, nicht Ämter in dieser kleinen, unbedeutenden Stadt« 68 .
Ja, der Himmel, das große Glück der Armen! Auf Erden indes ist es nun einmal, wie es ist, und Gregor ist auch Realist genug, um sich nichts vorzumachen. »Obwohl alle Leute von derselben Haut sind, kommt es jenen zu zu herrschen, diesen, beherrscht zu sein; zu jenen gehört es, Tribute festzusetzen, zu diesen, Tribute zu zahlen; die ersten entgehen straflos, wenn sie Unrecht tun, den zweiten bleibt es, alles zu tun, um am wenigsten zu leiden« 69 .
Auch Gregors Kollege, der Mailänder Bischof und Kirchenlehrer Ambrosius, ist nüchtern genug, um die Dinge zu sehen, wie sie sind, das heißt die übliche Sozialpolitik seiner Kreise zu treiben. Gar mannhaft tritt er für die Armen ein, ohne es je mit den Reichen zu verderben, auf deren Seite er schon aufgrund seiner Herkunft und Stellung steht. Ohne Zweifel gehört Ambrosius von Mailand zu den markigsten Lavierern, die Kirche und Welt je gesehen haben.
Einerseits verurteilt der populäre Bischof mitunter hart Reichtum und Geld, attackiert er gelegentlich kraftvoll die Reichen, ja leugnet entschieden, daß Privatbesitz in der Natur begründet sei. »Nahrungsmittel hat sie bereit gestellt ..., hat diese Dinge allen gemeinsam geschenkt, damit du dir nicht etwas als Eigentum anmaßt« (haec communia dedit ne tibi aliqua velut propria vindicares). Jedes Privateigentum sei gegen die Natur, beruhe auf Anmaßung und Habsucht. Nach Gottes Ratschluß sollte die Menschheit in Gütergemeinschaft leben, die Erde gemeinschaftlich besitzen. »Die Natur schuf das Recht des gemeinsamen Eigentums, die Usurpation machte daraus das Recht des Privateigentums.« Nach dem »engagierten Fürsprecher der Armen und Unterdrückten« (Wacht) liegt also die Gütergemeinschaft in der Absicht des Schöpfers, ist Privateigentum mit dem göttlichen Gesetz unvereinbar, nicht naturgemäß. »Es ist nicht dein Eigentum, das du unter die Armen verteilst, es ist das ihre, das du ihnen nur zurückgibst. Denn du hast zu deinem privaten Gebrauch an dich gerissen, was allen zum Nutzen für alle anvertraut ist. Die Erde gehört allen und nicht den Reichen.«
Das hört sich radikal an, fast revolutionär. Doch dieser Heilige, der einer der ersten römischen Familien entstammte – sein Vater war Regierungschef für Gallien –, auch selber beste Beziehungen zu den Kaisern unterhielt, zeitweise täglich mit ihnen verkehrte, sie nicht selten dirigierte (I 399 ff), wollte natürlich nicht wirklich Gütergemeinschaft, sondern forderte nur Wohltätigkeit. Grundbesitz bewertet er durchaus positiv. Und Reichtum an sich sei keinesfalls verächtlich, sei gar nicht schlecht, im Gegenteil ein Geschenk Gottes, ein Reisegeld (viaticum) zum ewigen Leben, wenn man ihn richtig gebraucht, den Armen hilft.
Ambrosius will selbstredend nicht Kampf gegen die Reichen, will nur ihr Almosen. »Wer im Reichtum sich bewährt«, lehrt er, »ist wahrhaft vollkommen und des Ruhmes würdig«. Auch sei im Namen des Herrn der Arme sicher wie der Reiche, der Schwache wie der Mächtige, der Taglöhner nicht prinzipiell vom Großagrarier verschieden, da doch auch dieser ein »Lohnarbeiter Christi« sei (was man noch ganz ähnlich bei dem privaten Großkapitalisten Papst Pius XII. liest). Den Armen müsse auch gar nicht sein Elend grämen, seine Dürftigkeit. »Niemand klage über seine Not, daß er sein Haus mit leerem Beutel verlassen mußte! Ärmer noch ist die Schwalbe. Keinen Heller besitzend ist sie nur überreich an Mühe ...« Einer der berühmten ambrosianischen Vergleiche aus der Tierwelt. Denn wie der Vogel Phönix ein Beweis für die Unsterblichkeit ist, der Geier für die Jungfrauschaft Mariens, die Turteltaube für wahre Witwentreue etc. (S. 371 ff), so ist die Schwalbe noch ärmer als der Ärmste – und baut doch ihr Haus. Ohne einen Heller!
Ganz selbstverständlich setzt der Kirchenlehrer die Privateigentumsordnung voraus, akzeptiert er den wirtschaftlichen Status quo und erklärt ihn durch den Sündenfall – seinesgleichen kommt nie in Verlegenheit. Zumal die Kirche hat natürlich gerechten Besitz, da sie dem Nächsten diene und alles verwende für die Armen! Für sich, behauptet Ambrosius allen Ernstes, besitze sie nichts als den Glauben. »Nihil ecclesia sibi nisi fidem
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