Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Waratto, suchte zwar Frieden mit Pippin. Doch gegen Warattos Sohn Gislemar führte Pippin »Bürgerkriege (bella civilia) und viele Kämpfe«. Und Warattos Nachfolger und Schwiegersohn Berchar, der die Würde seiner Schwiegermutter Ansfled verdankte, trat erneut in Opposition zu dem Arnulfinger, dessen Verschwörerfront noch allerlei Überläufer verstärkten, auch bischöfliche, wie eben Metropolit Reolus, der jetzt eine Schwurfreundschaft mit Pippin schloß. Der Bischof und die Seinen stellten dem Hausmeier Geiseln »und hetzten ihn gegen Berchar und die übrigen Franken auf« (Fredegarii Continuationes).
Pippin trat wieder an die Spitze der Rebellen und stieß 687 mit dem austrischen Adel aus dem Kohlenwald vor. War er doch, sagt Paulus Diakonus, »ein Mann von ungemeiner Kühnheit, der immer sogleich auf seine Feinde losstürzte und sie schlug«. In der Schlacht bei Tertry an der Somme, von der karolingischen Tradition als Epochenereignis hochgespielt, besiegt Pippin die neustrische Armee unter Theuderich III. und seinem Hausmeier Berchar. Gleich danach verbündet er sich mit Warattos Witwe Ansfled, und diese läßt bald darauf ihren Schwiegersohn Berchar ermorden. Nachfolger des Opfers im Amt des neustrischen Hausmeiers wird Pippin, der damit auch die Führung in Neustrien bekommt, wo er, wie es in alten Annalen heißt, den König »mit seinen Schätzen und der Hofhaltung« in Empfang nimmt, als handle es sich um ein »Inventarstück«. Tatsächlich sind die Könige nur noch Statisten, bloße Thronpuppen, die bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts lediglich noch nominell regieren.
Pippin beläßt den Merowinger Theuderich in Neustrien, gibt ihm freilich auch, während er nach Austrien zurückkehrt, eigene Leute, ihm selbst ergebene Hausmeier, zur Hand, zunächst Norbert, dann seinen Sohn Grimoald. Sein älterer Sohn Drogo, zum Herzog in der Champagne erhoben, aber führt nun Ansfleds Tochter Anstrud als Frau heim, die Witwe des von ihrer Mutter – der »vornehmen und tüchtigen Ansfledis« (matrona nobilis et strenua) – zugunsten Pippins ermordeten Berchar. So fügt sich alles schönstens. Das Erbe der Merowinger ist de facto beinah angetreten, die Familie der Pippiniden beginnt ihren Aufstieg aus dem Provinzadel zu den Herren Europas. 19
Pippin residierte weniger in Metz als in Köln, wo wahrscheinlich seine Gattin Plectrudis, eine Tochter des späteren Bischofs Hugobert von Maastricht, das Stift Maria im Kapitol gegründet hat. Und auch Pippin selbst, der Neffe der ersten Äbtissin (Gertrud) des großen Klosters von Nivelles in Brabant (S. 281 f.) war bereits der Kirche besonders verbunden, war Gründer und Förderer von Klöstern, verehrte vor allem St. Peter, den er zu seinem Schutzpatron wählte, und stand überhaupt bei den Zeitgenossen im Ruf besonderer Frömmigkeit und Glaubensverbreitung. Denn Krieg und Klerus, Blut- und Taufbad, Massenmord und Mission, das gehört stets enger und enger zusammen.
Auch jene Züge zeigen dies, mit denen Pippin die Friesen unter ihrem fest zum alten Glauben haltenden König Radbod heimsucht. 20
Karl Martell »... mit vielem Blutvergießen« und »mit Gottes Hilfe«
Pippins älterer Sohn Drogo war schon 708 einem Fieber erlegen. Und der jüngere Grimoald (II.), Majordomus in Neustrien und nun eigentlicher Nachfolger Pippins, wurde auf dem Weg zu seinem schwer erkrankten Vater in der Pfalz Jupille bei Lüttich im April 714 in der Lütticher Basilika des Märtyrers Lambert durch den Friesen Rantgar erschlagen. Da der Hausmeier selbst schon wenige Monate später, am 16. Dezember 714, starb, war die Vorherrschaft der Karolinger im Frankenreich gefährdet.
Kurz vor seinem Tod hatte Pippin Grimoalds außerehelichen Sprößling Theudoald, damals erst sechsjährig, zum Hausmeier bestimmt; von der Nachfolge ausgeschaltet aber seinen etwa dreißigjährigen Sohn (aus einer Nebenehe mit der schönen Chalpaida) Karl mit dem Beinamen »der Hammer« (Tudes, Tudites, Martellus), der erst im 9. Jahrhundert aufkommt und das Zerschlagen seiner Feinde versinnbildlicht. Pippins Witwe Plektrud, die unter der nominellen Herrschaft Dagoberts III. als Vormund regierte, setzte Karl Martell, ihren Stiefsohn, in Köln gefangen. Im Sommer 715 aber floh er »mit Gottes Hilfe« und bekriegte seine neustrischen Gegenspieler, Hausmeier Raganfred und König Chilperich II. (716–721), der als Kleriker Daniel hieß; zwei Katholiken, selbstverständlich, die kurz zuvor jedoch, im Bund mit heidnischen
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