Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
erquetschten Schwanengesangs Leodegar »in seiner Zeit, nach seiner Art, in der Nachfolge Christi«; »blitzartig« sieht er die dunkle Epoche erhellt und warnt, »die merowingischen Jahrhunderte nur nach den Bluttaten zu beurteilen, von denen die Chroniken voll sind«.
Nach den Ausnahmen geht's natürlich auch. (Ich ziehe – hier und immer historiographisch! – die Regel vor.)
Die Mutter des Heiligen, Sigrada, kam in Klosterhaft. Sein Bruder, der Graf von Paris, war als (angeblicher) Urheber von Childerichs II. Ermordung schon früher zur Steinigung verurteilt worden. Einige Bischöfe mußten ins Exil. Andere, wie der Metropolit von Lyon, Genesius, gegen den Prälaten noch mit Heeresmacht gezogen waren, akzeptierten schließlich das von Ebroin geschaffene Fait accompli. Wieder andere, vor allem in Neustrien, sympathisierten mit dem Sieger. Die Mordanschläge rissen im übrigen nicht ab – »einer der Höhepunkte fränkischer Geschichte im 7. Jahrhundert« (Fischer). 17
Pippin II., »der immer sogleich auf seine Feinde losstürzte ...«
Der Rückruf des letzten austrischen Merowingers Dagobert II. im Jahr 676 aus fast zwanzigjähriger irischer Klosterhaft durch Hausmeier Wulfoald war zweifellos ein Schlag für Pippin II., den Mittleren. Denn offensichtlich wollte er um jeden Preis Hausmeier in Austrien werden, wie bereits sein Großvater Pippin und sein Onkel Grimoald. Lange mußte er auch nicht warten. Schon zu Weihnachten 679, am 23. Dezember, erschlug einer der Söhne König Dagoberts den Vater auf der Jagd bei Stenay in den Ardennen, in der Nähe von Verdun – »durch die Tücke der Herzöge und mit Zustimmung der Bischöfe« (per dolum ducum et consensu episcoporum: Vita Wilfridi). Adel und Episkopat schlugen Dagoberts Schutzpatron St. Peter von Stablo und Malmédy. Auch Hausmeier Wulfoald verschwand mit dem König.
Wer aber konnte interessierter daran sein als Ebroin, als Pippin?
In Austrien war nach Dagoberts II. Beseitigung und dem gleichzeitigen Ende Wulfoalds der dux Pippin wohl der mächtigste Mann; seit dem 14. Jahrhundert »von Heristal« genannt (obwohl Heristal bei Lüttich, schon 722 in einer Urkunde als Krongut auftauchend, nie Privatbesitz der Karolinger war). Von späteren Sagen stark verklärt, ist der Enkel Pippins I., des Älteren, und des Bischofs Arnulf von Metz, Pippin II., der Mittlere, der Ahnherr sowohl Karl Martells als auch Karls »des Großen« und eröffnet recht eigentlich die Geschichte der Karolinger, die jetzt immer dreister das Erbe der Merowinger rauben.
Pippin, als Dux Austrasiorum Herr des Ostreichs, steht nun, nebst seinem Verwandten, dem Herzog Martin, wohl dux der Champagne, auf der einen Seite im Endkampf um die Frankenherrschaft. Auf der anderen Seite stehen Ebroin, dem sich Bischof Reolus von Reims anschließt, sowie die früheren, auf Veranlassung Leodegars abgesetzten Bischöfe Desideratus, genannt Diddo, von Chalon-sur-Saône, und Bobo von Valence. In einer »blutigen Schlacht« 680 im Buchenwald (Bois-du-Fays), östlich von Laon, »in der von beiden Seiten viel Volk getötet wurde«, siegt Ebroin und erzwingt Theuderichs III. Anerkennung auch in Austrien. Während Pippin entkommen konnte, hatte man Martin – nachdem ihm Bischof Reolus durch einen falschen Eid »auf leere Reliquienkästen« freies Geleit zugeschworen (ein von Ebroin schon einmal erfolgreich praktizierter Trick) – gefangengenommen und »mit allen seinen Leuten umgebracht« (Fredegarii Continuationes).
Neustrien schien die Oberhand zu behalten. Nach 18jährigem Ringen war Hausmeier Ebroin faktisch Alleinherrscher in Neustrien und Burgund, ohne jedoch den Thron zu beanspruchen. Doch den Versuch, sich auch in Austrien durchzusetzen, bezahlt er schon im Jahr nach seinem Sieg mit dem Leben. Kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, Ende April, Anfang Mai, spaltete ihm Ermenfred, ein hoher neustrischer Palastbeamter, das Haupt, just als Ebroin »des Sonntags vor Tagesanbruch zur Frühmesse gehen wollte ...« Ermenfred aber flüchtete zu Pippin, der vielleicht auch diesen Mord veranlaßt, jedenfalls wieder davon den größten Vorteil hatte, und belohnte die Bluttat durch Aufnahme des Mörders in den königlichen Rat. Pippin hatte sich im Kampf um die Vorherrschaft gegen die jahrzehntelang führenden neustrischen Hausmeier durchgesetzt; nicht zuletzt, weil ein Teil des neustrischen Adels nun wieder zum austrischen Majordomus überging. 18
Ebroins Nachfolger im neustrischen Hausmeieramt,
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