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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Poitiers geworden, dann wahrscheinlich auch Abt dort von Saint-Maixent. Und als sich in Autun zwei regionale Adelsfraktionen zwei Jahre um den Bischofsstuhl geschlagen hatten, der eine Kandidat gefallen, der andere verbannt worden war, gelangte Leodegar um 662 durch die Gunst Königin Balthildes auf den begehrten Sitz und wurde einer der wichtigsten Politiker im Gallien des 7. Jahrhunderts. Doch indes er ein aufwendiges, prachtliebendes Leben führte, mit Gewalt und Schrecken die feindlichen Parteien unterdrückte und besonders die Reliquien des Märtyrers und Stadtheiligen Symphorian verehrte, ahnte er kaum, daß er selbst noch ein hl. Märtyrer werden würde. 13
    Denn Leodegars Machtgier brachte ihn bald in Gegensatz zu dem nicht minder herrschsüchtigen Ebroin, dessen Zentralisierungsbestrebungen er scharf widerstand, wobei die Feindseligkeiten wohl durch den Bischof eröffnet wurden, und dies in den diversen Phasen des Kampfes anscheinend wiederholt – Kämpfe »größten Ausmaßes im Merowingerreich« (Büttner). Und während Ebroin sich als Vertreter der Krone gegenüber den Optimaten fühlte, Gegner vor allem auch der burgundischen Separatisten war, wurde Bischof Leodegar zum Wortführer der Opposition, zum Exponenten der Adelspartei, der jede Einherrschaft widerstrebte.
    Der unerwartet frühe Tod Chlotars III., des neustrischen Königs, im Frühjahr 673 traf Ebroin schwer und führte zu einem völligen Umschwung. Unter Ausschluß der Großen brachte der Hausmeier den jüngeren Königsbruder, den in Saint-Denis internierten Theuderich III., Balthildes zweiten Sohn, auf den Thron von Neustroburgund. Die Optimaten um Bischof Leodegar proklamierten dagegen den bereits seit 663 in Austrien regierenden jüngeren Bruder Theuderichs, Childerich II., der rasch Anerkennung fand.
    Ebroin und sein König unterlagen im Sommer 673 dem Adel und Episkopat. Der Hausmeier landete, zum Mönch geschoren, im fernen Vogesenkloster Luxeuil, Theuderich III. geschoren in Saint-Denis; Childerich II. von Austrien kam auf den Thron, Leodegar in die unmittelbare Umgebung des Königs. Und da dieser erkannte, schreibt ein anonymer Mönch aus Saint-Symphorien von Augustodunum (Autun) in der (vor 693 verfaßten) Vita seines Heros, »daß der heilige Leodegar mit dem Licht der Weisheit alle überstrahlte, so hatte er ihn beständig um sich in seinem Palast und machte ihn zu seinem Hausmeier«; und »jedermann« wünschte sich Glück, »den Leodegar zum Hausmeier zu haben«.
    In Wirklichkeit ist Leodegar nie Hausmeier gewesen, wohl aber ein enger Berater Childerichs, »rector palatii«, als welcher er freilich bald eine so dominante Rolle spielte, daß er dem Hof auf die Nerven fiel, zumal er auch des Königs Ehe mit dessen Cousine Bilichilde kritisierte. Mit der Sprache seines Biographen war es der »alte böse Feind«, der zwischen König und Bischof »das Unkraut der Zwietracht säte«, weshalb »der Haß des Teufels«, »der Neid der Bösen« sich wider den Heiligen Gottes erhob, und der Herrscher »suchte eine Gelegenheit zu Leodegars Tod«. Mutig ging da der bischöfliche Held »am Morgen des Karfreitag in den Palast und bot sich an Christi Todestag selbst zum Opfer dar: der König wollte ihn auch mit eigner Hand durchbohren ...«, doch der hl. Leodegar wollte jetzt »lieber entfliehen, als durch seine Ermordung das Fest von Christi Auferstehung entweihen lassen. Denn daß er sich vor dem Märtyrertod gefürchtet, wird wohl niemand glauben.«
    Tatsache ist, der hl. Bischof wurde an Ostern 675 gestürzt und nun seinerseits »nach dem Vorschlag der Großen und Bischöfe«, wie die Vita zugibt, zu seinem Gegner Ebroin ins Kloster Luxeuil verbannt, wo sie angeblich, kaum ohne Hintergedanken, so sehr ein Herz und eine Seele wurden, daß der Abt sie vorübergehend trennte. 14
    »Aber nicht lange ließ das göttliche Strafgericht bei Childerich auf sich warten«, notiert befriedigt der Anonymus aus Autun. König Childerich II. nämlich, der Zwanzigjährige, der sich auch an einigen Komplizen des Bischofs rächte, den Grafen Hector von Marseille hinrichten, den fränkischen Großen Bodilo verprügeln ließ, wurde von diesem, einem Parteigänger Leodegars, und einigen Verschworenen im Spätsommer 675 auf der Jagd im Wald von Lognes, in der silva Lauconis, ermordet; ebenfalls sein etwa fünfjähriger Sohn Dagobert und seine schwangere Gattin Bilichilde, »was schmerzlich zu sagen ist«, wie es in den »Taten der Frankenkönige« heißt. Und nun

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