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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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kehrten die Klosterhäftlinge ringsum rachsüchtig zurück, »gleich giftigen Schlangen, welche die erste Frühlingssonne aus ihrem winterlichen Versteck hervorlockt« (Passio Leudegarii). 15
    Leodegar und Ebroin kamen aus Luxeuil, trennten sich aber sofort wieder. Theuderich kam aus Saint-Denis, Dagobert II. aus Irland. Eine Partei in Austrien wollte ihn zum König erheben. Und ein Komet am Himmel kündete Mord und Umsturz an. Wirklich griff bald ein einziges Chaos um sich. Fehden, Verrat, Totschlag waren an der Tagesordnung, eine so große Verwirrung entstand, schreibt der Mönch aus Augustodunum, »daß man glaubte, der Antichrist werde erscheinen«. Wie übrigens oft, geht es besonders turbulent zu – unter Christen.
    Nicht Ebroin wurde Hausmeier, sondern Erchinoalds Sohn Leudesius. Ebroin aber attackierte mit austrischer Hilfe die Neustroburgunder, nahm in einem Handstreich den Königshof in Nogent, kassierte den Königsschatz in Baizieux und an der Somme-Mündung den König. Hausmeier Leudesius wurde liquidiert zugunsten von Hausmeier Ebroin. Und dessen Parteigänger, darunter Herzog Waimar von der Champagne (der dann Bischof wurde und gehenkt worden sein soll), Bischof Bobo von Valence und Bischof Desideratus (Diddo) von Chalon, der an der Spitze eines Heeres stand, rückten 676 nach Burgund gegen Leodegar.
    Nachdem man um Autun »auf beiden Seiten bis zum Abend tapfer gestritten«, ergab sich der Heilige. Unerschrocken und »durch des Herren Mahl gestärkt« schritt er, sagt der Mönchsbiograph, »ins feindliche Lager, sich für seine Mitbürger opfernd«. Und dort empfingen ihn die (ja gleichfalls katholischen, teils sogar bischöflichen) Teufel »wie die Wölfe ein unschuldiges Lamm«. Doch kein Schmerzenslaut kam, »als man ihm die Augen aus dem Kopf riß, sondern er stimmte Psalmen an zum Lobe Gottes«. Und als er, geblendet, an Lippen und Zunge grausam verstümmelt, fast zwei Jahre im Nonnenkloster Fécamp (Diözese Rouen) lag, erhielt er mirakulöserweise die Sprache wieder –»wuchsen doch durch Gottes Hand seine Lippen und Zunge ganz wunderbar wieder, und ich selbst habe es gesehen, wie ihm die Worte vom Munde flossen ...«
    Vor einer Bischofssynode 678 seiner »Würde« entkleidet, vom höchsten Gericht zum Tod verurteilt, wurde Leodegar als Mitschuldiger des Königsmordes auf Ebroins Befehl in einem Forst des Artois enthauptet, schon unmittelbar nach seinem Tod als Märtyrer betrachtet und nach Ebroins Liquidierung als Heiliger verehrt, wurde er Patron von Luzern und natürlich von Autun und in der kirchlichen Heldensage zum »eifrigen Apostel des Friedens«, »Muster eines Priesters«, »mit allen christlichen Tugenden geziert«. »Die Legende ließ jetzt eine Serie von Wundern geschehen, zu denen der regierende Bischof nicht recht Zeit gefunden hätte. Bei all seinem Reichtum und Grundbesitz hatte Leodegar kein Kloster gegründet ... Auch seine Fürsorge für Arme schöpfte erst aus dem Vollen, wenn sich die gehäuften Schätze nicht mehr politisch nutzen ließen« (Borst).
    Wirklich, erst als Leodegar »wieder in seiner Stadt Augustodunum war, seine Herde zu weiden«, als er, bedroht und umzingelt, die Tore verrammelt, die Bollwerke befestigt, doch keine Chance mehr hat zu entkommen, da weigerte er sich beharrlich, mit seinen Schätzen von dannen zu ziehen, wie unser Mönch rühmt, »sondern teilte sein ganzes Vermögen unter die Armen aus«. Ein echter Ritter Christi. – Und schließlich beteten die Gläubigen: »Bitte für uns, heiliger Leodegar, segenreicher Bekenner Christi, daß wir unsere Hoffnung allein auf das Kreuz unsers Herrn setzen ...« 16
    Dem Historiker Ewig aber gelingt ein szientifisches Kunststück. Er macht Leodegar zu einem Nachfolger Christi. Und dies aufgrund eines einzigen Briefes, seines letzten.
    Gefangengesetzt, verstümmelt, ohne Augen, ohne Zunge, schrieb Leodegar an seine Mutter, nach der Hinrichtung seines Bruders und vor der eigenen, plötzlich ganz christlich fromme Sätze, wie: alle Trauer verwandle sich in Freude, »nicht zu hassen, sondern zu lieben« seien wir da. »Keine Tugend ist vollkommener als die Feindesliebe, durch die wir Kinder Gottes werden ...« Solche Sentenzlein waren dem Bischof wohl kaum je in den Kopf, geschweige über die Zunge gekommen, es sei denn beim Wort zum Sonntag, sozusagen. Aber selbst seine »Passio« versichert ausdrücklich, er sei froh über den Untergang seiner Feinde gewesen. Doch Ewig weiß kraft des von der Todesangst

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