Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Schutzmaßnahmen durch den Staat und übergreifender Organisation durch die fränkische Kirche« (Wand). 8
Schon 718, wie erwähnt, 720, 722, 724 hatte Karl die Sachsen bekriegt. Wiederholt schlug er friesische und sächsische Aufstände nieder, und nur von solch blutigen Gewaltakten hing die »Bekehrung« ab, die Befreiung, so Bonifatius, von »allem Unflat der Heiden«. Gregor III. schrieb den Missionserfolg ebenso Karl Martell wie Bonifatius zu. Und dieser selbst bekennt dem englischen Bischof Daniel von Winchester: »Ohne den Schutz des Frankenfürsten [sine patrocinio principis Francorum] kann ich weder das Volk der Kirche leiten noch die Priester und Geistlichen, die Mönche und die Gottesmägde beschirmen, noch ohne seinen Auftrag (mandato) und die Furcht vor ihm, heidnische Bräuche und die Greuel des Götzendienstes in Germanien verhindern«. Nicht zufällig schickt Bonifatius, »Knecht der Knechte Gottes«, dem König Aethelbald von Mercien 745/746 außer einem Habicht und zwei Falken auch »zwei Schilde und zwei Lanzen«. 9
Der »Pfaffenwinkel« entsteht
Über die geschichtlichen Anfänge des bayrischen Stammes, seine Herkunft, den Zeitpunkt der Stammesbildung, die Zusammensetzung der Baibari, Baiovarii, Baioarii sowie über deren frühe religiösen Verhältnisse gibt es (fast) keine zuverlässigen Quellen. Anders als Goten, Langobarden, Franken haben die Bayern zunächst keinen Geschichtsschreiber aufzuweisen. Erst ein rundes Vierteljahrtausend nach ihrer »Landnahme« liegen schriftliche Zeugnisse aus ihrem eigenen Reich vor. Ihre frühesten namentlichen Nennungen entstammen der Mitte des 6. Jahrhunderts.
Es steht auch nicht fest, woher die Bayern kommen. Vielleicht, ein prägender Kern, von Böhmen, wie ihr Name andeutet: die Männer aus dem Land Baia, die »Leute aus Bojohaim«, seit etwa 550 belegt, als die ersten Einwanderer aus Böhmen sich vor allem in der späteren Residenzstadt Regensburg ansiedelten. Vielleicht aber waren die Baiovarii Kelten, ein kelto-romanisch-germanisches Mischvolk. Vielleicht stammten sie von den Markomannen, den Alemannen, Sueben ab. Sie alle und mehr, Thüringer, Hermunduren, Hunnen, können in ihnen aufgegangen sein, auch die, gegenwärtig gern betont, in Rätien und Noricum ansässigen Alpenromanen. Jedenfalls hat sich der bayrische Stamm erst bei und nach der (wie man annimmt friedlichen) Besetzung des Landes im früheren 6. Jahrhundert gebildet, östlich der Alemannen, zwischen Enns und Lech, Donau und Alpen. Und zwei Jahrhunderte später ist dort bereits alles voll von Klöstern, der »Pfaffenwinkel« noch heute. Wahrscheinlich sind die Bayern auch schon durch König Theudebert I. (533–548) (S. 95 ff.) unter fränkische Oberhoheit gekommen.
Wie man ethnogenetisch auf Vermutungen, Kombinationen angewiesen ist, so weiß man auch von der ursprünglichen Religion der Bajuwaren wenig. Schon zur Römerzeit mag das Christentum auf der späteren terra Bavariae, in Noricum und Rätien, durch Händler und Soldaten eingedrungen sein. Bestand aber damals dort bereits (wahrscheinlich) eine Kirchenorganisation, verschwand sie doch nach Abzug der römischen Soldaten und Staatsbehörden nahezu gänzlich wieder – mit der einzigen Ausnahme von Chur. Die christliche Kirche, jahrhundertelang rigoros pazifistisch, konnte zwar gegen den Staat groß werden, dann aber nur mit dem Staat, in enger Bindung an den »weltlichen« Apparat, mit Gewalt, sich am Leben erhalten.
Bezeichnend, daß auch hier die Mächtigen zuerst zum Christentum überliefen. Das Herzogsgeschlecht war von Anfang an katholisch. Und wie gewöhnlich hat sich wohl auch hier zuerst der Adel aus politischen Gründen, das heißt aus Macht-, aus Prestigesucht, dem Christentum zugewandt. Das Volk, mehrheitlich im 6. Jahrhundert noch heidnisch, wurde (in seiner Masse) erst im Laufe des 7. Jahrhunderts christianisiert.
Vielleicht aber hatten schon vorher irische Mönche und Prediger aus Byzanz die Bayern teilweise »bekehrt«. Vielleicht waren zumindest Teile von ihnen zuerst Arianer, wofür es immerhin eine Fülle von Hinweisen – und natürlich Bestreiter gibt; nicht zuletzt, weil man die ältesten Bajuwaren viel lieber als Heiden denn als »Ketzer« sieht. Schismatiker (infolge des Dreikapitelstreites) gab es sicher unter ihnen, wie ja Königin Theudelinde zeigt.
Blutiger Krieg um Bayern und päpstliche Winkelzüge
Man kam Bonifatius am römischen Hof, wo er vielvermögende Freunde hatte, in jeder Hinsicht
Weitere Kostenlose Bücher