Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
folgenden Jahr der Humanist Laurentius Valla, selbst päpstlicher Sekretär und Domherr am Lateran, den Betrug in einer durch Ulrich von Hütten 1519 publizierten Schrift endgültig aufgedeckt hat, gab die römisch-katholische Geschichtsschreibung die Fälschung erst im 19. Jahrhundert zu. Doch wurden die darin gemachten Privilegien von der päpstlichen Kurie fast bis an die Schwelle der Gegenwart immer wieder nachdrücklich beansprucht. 41
Im 8. Jahrhundert allerdings beherrschten die Päpste noch keinesfalls als selbständige Herren diesen Kirchenstaat; weder zur Zeit Pippins III. noch seines Sohnes Karl, ja, einige waren noch nicht einmal Herr im eigenen Haus, im Lateran, wie sich gerade zu Beginn der Regierung Karls I. drastisch zeigte.
15. Kapitel
Karl I., der sogenannte Große, und die Päpste
»... sein Haar war grau und schön, sein Antlitz strahlend und fröhlich. Seine Erscheinung war immer imposant und würdevoll ... seine Gesundheit immer ausgezeichnet.« »Der christlichen Religion, zu der er von Jugend auf angeleitet worden, war er mit größter Ehrfurcht und Frömmigkeit zugetan (sanctissime et cum summa pietate coluit) ... Die Kirche suchte er Morgens und Abends, auch bei den nächtlichen Hören und zur Zeit der Messe fleißig auf.«
Einhard 1
»Die wichtigsten Gesprächspartner Karls während seines ganzen Lebens sind die Päpste gewesen. Die Achse der karolingischen Politik, um die sich alles andere drehte, war das Verhältnis zum Heiligen Stuhl.« »Es ist bezeichnend, daß, solange Karl lebte, jeder Konflikt mit dem päpstlichen Stuhl vermieden werden konnte ... Das Vertrauen der Bevölkerung Italiens hat Karl freilich nie gewonnen. Er blieb dort immer ... ein Feind.«
Wolfgang Braunfels 2
»Der Staat der Merowinger war vorwiegend weltlich gewesen, das Karolingerreich aber war eine Gottesherrschaft ...«
Christopher Dawson 3
»Das Bild des karolingischen Gottesstaates gewann eine eindrucksvolle Geschlossenheit in der karolingischen Friedensidee, in der Auffassung des Reiches als corpus christianum.«
Eugen Ewig 4
»Nun schlug die Stunde des Mannes der Vorsehung.« »Die siegreichen fränkischen Waffen sind noch bei Karl dem Großen die Wegbereiter der katholischen Lehre.« »Seine Untertanen in Eintracht zu erhalten, unter den Menschen die
concordia pacis
herzustellen ..., das sind die idealen Ziele dieses gewaltigen Herrschers, unter dessen Regierung vielleicht kein einziges Jahr ohne Krieg verging. Diese Ideale aber entsprechen vollkommen einer christlichen Auffassung seines Berufes.« »Die vom Verstand nicht beherrschte Begeisterungsfähigkeit der Massen, die ein Augustus, ein Konstantin, ein Napoleon – und müssen wir hinzufügen, ein Hitler? – zu benützen verstanden, brannte für Karl in lichterlohen Flammen.«
Daniel-Rops 5
Kriminalexzesse am päpstlichen Hof beim Machtwechsel im Frankenreich
Papst Stephan II., der sich die »Konstantinische Schenkung« im entscheidenden Augenblick großzügig zugedacht, war am 26. April 757 gestorben. Er hatte ein bedeutend größeres Territorium hinterlassen, das indes zunächst in der Familie blieb. Denn Stephans Nachfolger wurde sein jüngerer Bruder Paul I. (757–767), der zweite, im Lateran herangewachsene Papst aus dem Hause Orsini. Er suchte die Politik seines Vorgängers fortzusetzen und Pippin – den auch er als Pate von dessen Tochter Gisla »Gevatter« (spiritualis compater) nannte – erneut gegen die Langobarden zu treiben.
Dem auf der Jagd tödlich verunglückten kinderlosen König Aistulph war inzwischen der Herzog der Toskana, Desiderius (757–774), gefolgt. Der Papst selbst hatte dafür im Einvernehmen mit dem Frankenabt Fulrad gesorgt, da Desiderius von allen Anwärtern am leichtesten zu gängeln schien. Ein Irrtum. Der neue König wollte sein Reich nicht zwischen den Franken und dem Kirchenstaat eingezwängt und erstickt sehen. Eine Konspiration des Papstes mit zweien seiner Vasallen, den Herzögen von Spoleto und Benevent befürchtend, setzte Desiderius sein Heer in Bewegung, marschierte durch römisches Gebiet und verwüstete es mit Feuer und Schwert.
Paul I. bat Pippin um Unterstützung. Er geizte nicht mit Schmeicheleien. In einer Reihe von Briefen feierte er ihn als »Neuen Moses«, »Neuen David«, »Retter der Heiligen Kirche«, ja, als »Fundament und Haupt aller Christen«, die Franken als »neues Israel«, »heiliges Volk«. Er und die Römer, beteuerte er, wollten an der Freundschaft mit Pippin bis
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