Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
selbst. Otto III. war also durchaus informiert über den Riesenschwindel der Catholica. Nach seiner Überzeugung hatte der Papst keinerlei Recht auf Territorialbesitz.
In der außergewöhnlichen Urkunde vom Jahr 1001 macht er seinem früheren Lehrer Gerbert von Reims, dem Papst Silvester II., zwar zu Beginn das Zugeständnis: »Rom verkündigen wir als das Haupt der Welt«, um freilich gleich hinzuzufügen, daß der Glanz der Römischen Kirche durch Leichtfertigkeit und Unwissenheit der Päpste lange Zeit verdunkelt gewesen. »Denn sie verkauften nicht nur, was außerhalb der Stadt lag, und entfremdeten es durch viel Mißwirtschaft dem Sitze des heiligen Petrus, sondern sie verschleuderten auch, wovon wir nur mit tiefem Kummer reden können, den Besitz in dieser unserer königlichen Stadt an alle Welt gegen Geld, um nur hemmungsloser ihr ausschweifendes Leben führen zu können, bestahlen den heiligen Petrus, den heiligen Paulus, sogar die Altäre, und sie richteten, anstatt für Wiederaufbau zu sorgen, nur immer mehr Verwirrung an. Sie verdrehten die päpstlichen Gesetze und erniedrigten die römische Kirche, und einige Päpste verstiegen sich so weit, daß sie den größten Teil unseres Reiches für sich beanspruchten. Sie fragten nicht danach, was sie alles durch eigene Schuld verloren hatten, sie kümmerten sich nicht darum, was sie in ihrer Tollheit vergeudet hatten, sondern als sie ihren Besitz durch eigene Schuld in alle Winde verstreut hatten, wälzten sie ihre Schuld auf unser Reich und erhoben Anspruch auf fremden Besitz, nämlich auf unser und unseres Reiches Eigentum. Denn es sind Lügen, von ihnen selbst erfunden (ab illis ipsis inventa), aus denen der Diakon Johannes mit dem Beinamen ›der Stummelfinger‹ eine Urkunde mit goldenen Buchstaben zusammenschrieb und unter dem Namen des großen Konstantin einen gewaltigen Betrug spann (sub titulo magni Constantini longi mendacii tempora finxit).«
Anschließend spricht Otto von weiteren Fälschungen der Kirche, wonach Karl II., der Kahle, der römische Kaiser und König des Westfränkischen (Französischen) Reiches 876 dem Papst Reichsbesitz übertragen, ein »besserer Karl«, gemeint ist Karl III., der Dicke, römischer Kaiser und König des Ostfränkischen (Deutschen) Reiches, ihn davongejagt habe. »Lüge ist es auch, daß ein gewisser Karl dem heiligen Petrus unser Reich geschenkt habe. Aber wir erwidern darauf, daß dieser Karl überhaupt nicht in der Lage war, irgend etwas rechtskräftig zu verschenken, da er ja von einem besseren Karl verjagt, des Reiches beraubt, abgesetzt und zunichte gemacht worden ist. Er hat also gegeben, was er nicht besaß, und er hat so gegeben, wie er allerdings geben konnte, nämlich wie ein Mann, der unrechtes Gut erworben hat und nicht hoffen kann, lange im Besitz zu bleiben. Wir verachten alle diese erlogenen Urkunden und vorgespiegelten Schriftstücke.« 39
Im 12. Jahrhundert erkannten auch die Anhänger Arnolds von Brescia den Betrug. Einer seiner Schüler, ein Römer namens Wezel, erklärte brieflich Friedrich Barbarossa bald nach dessen Wahl zum deutschen König 1152 die ganze »Konstantinische Schenkung« für Fabel und Lüge, was in Rom so stadtbekannt sei, daß darüber noch Taglöhner und Weiber den gelehrtesten Köpfen Rede stehen könnten. Im 13. Jahrhundert bezweifelte auch ein so außerordentlicher Herrscher wie Kaiser Friedrich II. ihre Echtheit. Und als um die Wende zur Neuzeit Oberhirte und -hurer Alexander VI. (1492–1503) kraft der »Konstantinischen Schenkung« von Venedig die Übergabe der adriatischen Inseln an den Apostolischen Stuhl verlangte, höhnte der venezianische Gesandte, Seine Heiligkeit möge die Urkunde für das Constitutum Constantini herbeischaffen und finde dann auf der Rückseite den Vermerk, daß den Venezianern das Adriatische Meer gehöre.
Damals verbrannte man noch Menschen, die dieser Urkunde mißtrauten, wie einen gewissen Johannes Dränsdorf nach einem Verhör 1425 in Heidelberg. Und noch heute handeln Gelehrte den ganzen Fälschungs- und Schwindelkomplex des Mittelalters unter dem wohlklingenden Stichwort »Vergangenheitsfrömmigkeit« ab, nennen die Betrüger »ausgezeichnete Personen, bekannt für ihre Gewissenhaftigkeit«, und selbst die Verbrecher der »Konstantinischen Schenkung« figurieren da immerhin als die »ehrwürdigen Fälscher« (Ariès). 40
Noch das Florentiner Konzil 1439 hatte keinerlei Zweifel an dieser »Schenkung« aufkommen lassen. Und obwohl schon im
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