Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Sturm von den Höhen auf die Klausen, die Pässe nach Italien, schloß sie in Pavia ein und diktierte ihnen dort verschärfte Friedensbedingungen. Aistulph wurde Pippin tributpflichtig, also fränkischer Vasall. Begeistert von der »Menge der Schätze und Geschenke« kehrten die Franken jetzt zurück. Und schon im folgenden Jahr konnte der Heilige Vater dem Frankenkönig den Tod des »Tyrannen« berichten, »des Nachfolgers des Teufels, des Fressers von Christenblut, des Zerstörers der Kirchen«; er sei »von Gottes Dolchstoß durchbohrt, in den Schlund der Hölle hinabgefahren«. 31
Der Papst hatte freilich, mit nur allzuviel Grund, Angst vor Byzanz. So berichtet er einmal, 300 Schiffe seien von Konstantinopel ausgelaufen, ihre Bestimmung wahrscheinlich Rom und das Frankenreich. Doch keine Flotte erschien. Auch erfolgte kein Angriff auf den neuen Raub der Kirche an der Adria, wozu der Papst sich bereits Beistand erbeten, da »die gottlose Schlechtigkeit der häretischen Griechen nur darauf sinne, die katholische Kirche zu zertreten, die Rechtgläubigkeit und die Überlieferung der Väter zu vernichten«.
Mehr als zur Angst noch aber hatte der Papst Grund zum Jubeln. Er war nun Herr nicht nur über die Stadt Rom, sondern auch über das Exarchat und die Pentapolis. 22 Städte und Burgen heimste er nördlich und östlich des Apennin ein. Zusammen mit dem Dukat von Rom bildeten sie das »Patrimonium des heiligen Petrus«, den mittelalterlichen Kirchenstaat. Byzanz hätte erwarten können und hat auch erwartet, daß ihm Pippin dies Gebiet ausliefern werde. Statt dessen zog sein Bevollmächtigter, der Abt Fulrad von Saint-Denis, von Ort zu Ort, sammelte die Spitzen der Gesellschaft als Geiseln und legte die Schlüssel der Stadttore Sankt Peter zu Füßen. Pippin hatte das Territorium dem hl. Petrus und seinem Stellvertreter urkundlich zu ewigem Besitz geschenkt und die Gegenansprüche des griechischen Kaisers durch die Erklärung abgewiesen: nicht um eines Menschen, sondern aus Liebe zum hl. Petrus und für die Rettung seiner Seele sei dies geschehen. 32
Noch im 8. Jahrhundert nennt der dankbare Klerus Pippin »David«, »Salomon«, »Novus Moyses«. Und die Franken preist Papst Paul I. als »heiliges Volk«. Hatte die Kurie doch nun ihren Staat, den Kirchenstaat. Wie aber der römische Bischof, so wollte allmählich auch jeder andere Bischof, ja, jeder Abt seinen »Priesterstaat«. Und wie die Päpste den ihren durch Krieg und Betrug bekamen und ein Jahrtausend lang weiter durch Krieg und Betrug zu behalten, zu mehren suchten, so führten auch die übrigen Diener Christi Fehden um Fehden durch die Zeiten und wiesen, nach dem Beispiel Roms, ungezählte Schenkungsurkunden vor, die nicht minder Lug waren und Trug wie die sogenannte Schenkung Konstantins. 33
Denn da die Franken durch zwei große Kriege für »St. Peter« den Kirchenstaat nur zusammengeraubt hatten, wollte Rom die Sache nicht so unchristlich auf sich beruhen lassen. Es schickte sich an (oder hatte sich bereits angeschickt), zu der begangenen blutigen Gaunerei noch eine weitere, größere zu begehen: es führte die durch das fränkische Schwert, durch einen zweifachen Überfall erzwungene territoriale Neuschöpfung auf einen scheinbar uralten Rechtsanspruch zurück.
Die Aufdeckung der Fälschung
Ob schon Karl »der Große« das Constitutum Constantini für gefälscht hielt, läßt sich nicht nachweisen; manches spricht für diese noch sehr junge Hypothese. Zum erstenmal hat Kaiser Otto III. (983–1002) in einem ganz ungewöhnlichen und singulären Akt gegenüber Papst Silvester II. (999–1003) die »Konstantinische Schenkung«, die noch ein Dante für echt hielt, als null und nichtig bezeichnet. In einem berühmten, durch Bischof Leo von Vercelli, den Leiter seiner italienischen Politik, verfaßten Diplom überließ »Otto, der Sklave der Apostel und nach dem Willen Gottes des Heilandes der Römer imperator augustus« dem Papst beziehungsweise dem »heiligen Petrus« zwar die acht Grafschaften der Pentapolis zur Verwaltung, doch aus eigener Freigebigkeit und »unter Verachtung der erlogenen Urkunden und vorgespiegelten Schriftstücke«. Otto III. nannte die »Konstantinische Schenkung« ausdrücklich Lügenwerk und Fälschung (documenta ... inventa). Alle darauf basierenden Ansprüche wies dieser Kaiser als unberechtigt zurück, die ganzen Ländereien der Päpste erkannte er als erschlichen. Und nicht zufällig verlegte er seine Residenz nach Rom
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