Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
doch viele seiner territorialen Wünsche unerfüllt, und Karl, der einmal auch einen päpstlichen Gesandten wegen »einiger unerträglicher Worte« festnehmen ließ, machte sich offenbar nicht die Mühe, dies zu begründen. Er bestimmte über Hadrians Kopf hinweg, schaltete über Gebiete, die er dem Papst versprochen hatte oder die ihm gar schon gehörten, gänzlich unbekümmert. Zumal seit der Vernichtung des Langobardenreiches war der Römer völlig machtlos gegenüber Karl, sein Untertan, Rom eine fränkische Stadt, für deren Landesherrn Karl man im Gottesdienst betete, wie wahrscheinlich schon für Pippin (und später für viele mächtige gottgewollte Obrigkeiten – bis zu Hitler!).
Sogar ein alter geistlicher Rivale Roms, Leo von Ravenna, wurde durch Karl gedeckt, als er, gleich dem Papst, nicht genug bekommen konnte. Kaum nämlich war jener nach seiner Eroberung Pavias wieder zurückgeeilt, um vor allem die Sachsen heimsuchen zu können, entriß der Erzbischof dem Heiligen Vater in der Romagna, der Emilia eine Stadt nach der andern: Faenza, Forli, Cesena, Comacchio, Ferrara, Imola, Bologna ... Er vertrieb Hadrians Beamte mit Waffengewalt oder nahm sie gefangen, um ganz offensichtlich einen ravennatischen Kirchenstaat auf Kosten des römischen zu schaffen. Und wie der Papst berief er sich auf eine »Schenkung« Karls, dem er schließlich so behilflich im Langobardenkrieg war (S. 431). Er wehrte alle Proteste, Attacken, Verdächtigungen Hadrians ab, vertrat seine Sache persönlich vor dem König, wurde von diesem, zum großen Verdruß des Papstes, offensichtlich gestützt und behielt den annektierten Besitz bis zu seinem Tod.
Wenn ein ravennatischer Bischof so mit Rom umsprang, konnte es der fast allmächtige Franke erst recht. Er erlaubte sich denn auch nicht nur Eingriffe in den territorialen, sondern sogar in den innerkirchlichen Bereich, in die Verwaltung, die Gerichtsbarkeit, und Papst Hadrian mußte dies hinnehmen und replizierte dann kleinlaut: »In dem allen haben wir uns Eurer königlichen Förderung gemäß verhalten.« Oder: »Wir haben dabei, wie wir gewöhnt sind, mit günstigem Willen Eure Aufträge erfüllt.« 27
Doch die unentwegte Gier des Papstes, den Kirchenstaat zu vergrößern, hielt an; was er selbst natürlich ganz anders sah. »Ihr dürft aber nicht glauben«, schreibt er noch wenige Jahre vor seinem Lebensende an König Karl, »daß ich Euch solches mitteile, weil ich nach dem Besitz der von Euch dem heiligen Petrus verliehenen Städte begierig bin, sondern es geschieht bloß aus Sorge für die Sicherheit der heiligen römischen Kirche.« 28
»... schickt sogleich ein Kriegsheer« – Papst Hadrian hetzt gegen Benevent
Nur um Sicherheit ging es Hadrian auch im Falle Benevents, ihm seit je ein Dorn im Auge. Immer wieder eifert er gegen dessen Fürsten. »Der Papst unterließ es nicht in seinem Hasse, gegen die Langobarden auf jede Weise zu schüren« (Hartmann). Dabei versuchte er nicht nur, Karl durch Intrige und Lüge in einen Krieg gegen Benevent zu treiben, dessen Herzog Arichis wiederholt seinen Friedenswillen ausdrücklich bekundete, sondern er verlangte sogar einen Angriffskrieg gegen das griechische Reich. Er behauptete, sichere Informationen über ein Komplott des Arichis mit Byzanz zu haben.
Karl, der im Winter 786 – es ist sein dritter Romzug – mit einem Heer die Alpen überschritt, war im Januar in der »Ewigen Stadt«, wo ihn der Papst pomphaft empfing. Dort übermittelte ihm auch Arichis-Sohn Romuald mit reichen Geschenken das Angebot seines Vaters, »in allem den Willen des Königs zu erfüllen«, marschiere dieser »nicht gegen Benevent« (Annales Regni Francorum). Der Papst aber wünschte den Krieg. Er wünschte die Besetzung und Unterwerfung Benevents, um einen gefährlichen Gegner beseitigen und die eigenen Besitzansprüche befriedigen zu können – »ein Werk zur Erhöhung der h. römischen Kirche«, nannte er dies später.
Karl hielt Romuald fest und rückte auf Capua vor, während Arichis seine Residenz mit der starken Seefestung Salerno vertauschte, wo ihm schlimmstenfalls noch die Flucht übers Meer blieb. Durch eine weitere Gesandtschaft bot er dem Franken Geiseln an, außer Romuald neben anderen auch seinen jüngeren Sohn Grimoald, der mit ihm in Salerno saß. Auch von »einer großen Geldsumme« sprach Einhard.
Nun gab Karl nach. Er schenkte seinen Bitten Gehör und »stand zugleich auch aus Rücksichten der Gottesfurcht vom Krieg ab ...« Aus
Weitere Kostenlose Bücher