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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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vorgesetzte Obrigkeit pfeifen konnten.
    Vielleicht schon seit 774, mit Sicherheit aber seit Karls zweitem Rombesuch 781 zählte Hadrian nicht mehr, wie von Kaiser Justinian I. verfügt, das Papsttum nach Kaiser-, sondern nach Pontifikatsjahren. Der Papst verweigerte dem byzantinischen Herrscher das Vorrecht der Datierung der päpstlichen Urkunden nach dessen Regierungsjahren und beanspruchte es für sich selbst. Dabei denkt er offenbar nicht daran, dieses bedeutende Privileg irgendwie dem König der Franken, der Langobarden zuzugestehen, dem Patricius der Römer, ja, es auch nur mit ihm zu teilen. Vielmehr demonstriert er so, daß er »außer Gott keine Obrigkeit mehr anzuerkennen gewillt sei« (Menzer). Und Hadrian ersetzt auch bereits auf seinen Silberdenaren Namen und Bild des Kaisers durch seinen eigenen Namen und sein eigenes Bild, womit »vielleicht das wesentlichste aller Kaiserrechte« auf den Papst übergeht, der sich dadurch »als
quasi imperator
präsentiert« (Deér). 31
    Hadrian I. starb an Weihnachten 795. Sein Nachfolger wurde schon tags darauf, angeblich einstimmig, zum Papst gewählt.

Ein (unechtes) Martyrium und eine (fast echte) Kaiserkrönung

    Leo III. (795–816), ein gebürtiger Römer, von labiler Natur und eher von, wie man so sagt, geringer Herkunft, beeilte sich, Karl seiner Loyalität zu versichern. Er schickte ihm mit der Wahlanzeige die Schlüssel vom vermeintlichen Grab Petri, was keine politische Bedeutung hatte; während die Übersendung des Banners der Stadt Rom, verbunden mit dem Treueeid der Römer, ein deutliches Zeichen der Unterwerfung des Kirchenstaates unter den Frankenherrscher war. Dieser seinerseits sandte seinen Hofkapellan Angilbert, den Abt von Saint-Riquier (der in wilder Ehe Karls Tochter Bertha zwei Söhne machte), nach Rom mit der Instruktion: »Mahne den Papst dringend zu ehrbarem Lebenswandel und vornehmlich zur Beobachtung der heiligen Kirchensatzungen ... Und mit allem Fleiß verweise ihn an die Ausrottung der simonistischen Ketzerei, welche den Körper der heiligen Kirche an vielen Orten befleckt, und an das, was wir beide, wie Du Dich erinnerst, öfter beklagt haben.«
    Karl hatte offenbar Grund, den Heiligen Vater »zu ehrbarem Lebenswandel« anzuhalten. Noch fataler aber wird es für den Papst gewesen sein, in einem gleichzeitig überbrachten Schreiben lesen zu müssen, wie der fränkische König die Gewichte in der abendländischen Welt verteilt, wie er sich als den Herrn sah, der ihm nichts als das Beten überließ. »Unsere Sache ist es, mit Gottes Hilfe die heilige Kirche Gottes überall vor dem Einbruch der Heiden und der Verheerung durch die Ungläubigen mit den Waffen zu verteidigen, nach außen und im Innern den katholischen Glauben zu festigen. Eure Sache, heiliger Vater, ist es, gleich Moses mit zu Gott erhobenen Händen Unsere Streitmacht zu unterstützen, damit durch Eure Gebete mit der Gnade Gottes das christliche Volk überall und immer über die Feinde seines Namens den Sieg erlange und der Name unseres Herrn Jesus Christus auf der ganzen Welt verherrlicht werde.« 32
    Leo III. erkannte Karls Oberherrschaft über den Kirchenstaat von Anfang an. Karl hatte schon früher in Kircheninterna eingegriffen, noch mehr oder weniger Kleinigkeiten verboten, den Geistlichen den Wirtshausbesuch, das Halten von Hunden, Habichten, Gauklern, den Nonnen das Schreiben von »Wonneliedern«. Sogar um den Gebrauch von Schuhen beim Gottesdienst hatte er sich gekümmert, um die Verwendung von Altarhüllen. Erst recht regelte er natürlich gewichtigere kirchliche Angelegenheiten in seinem Reich, und der Papst gehorchte so gut wie immer. Auf der Frankfurter Synode von 794 entschied Karl mit seinem Hoftheologen sogar in Glaubensfragen gegen den Papst. Auf Veranlassung des Königs erhob Leo Salzburg (798) zum Erzbistum, berief er eine Synode in Rom ein, organisierte er die Kirche in den geraubten Awarengebieten. Und als Untertan des Kaisers datierte er auch seine Münzen nach dessen Regierungsjahren.
    Zeitlebens blieb der Papst abhängig. Dies um so mehr, als sich der rücksichtslose, machtgierige »Stellvertreter« in Rom einer starken geistlichen Opposition gegenübersah, darunter höchste Würdenträger des Hofes, Verwandte seines verstorbenen Vorgängers. Denn da mit dem weltlichen Besitz der Päpste auch deren Nepotentum groß geworden war, führte fast jeder Amtswechsel zu neuen Parteibildungen, zum Hunger des Adels nach Kirchengut und -macht.
    So auch jetzt.

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