Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
benötigt, dazu Salzburg erheben. Und er verfügt über das Kirchengut. Er bereichert die Päpste durch Land, ebenso die Bischöfe. Er gewährt ihnen zahlreiche Immunitätsprivilegien und bedroht die Verletzung kirchlicher Immunität mit dem zehnfachen Königsbann von 600 Solidi. Er gibt Bischöfen Zollbefreiung, verleiht ihnen das Münzrecht. Er läßt Kirchenraub und -brandstiftung mit dem Tod bestrafen. Vor allem aber verfügt er die allgemeine Zehntpflicht zugunsten des Klerus, und er treibt die Zehnten für die Bischofskirchen staatlich ein. Auch vermachte er der Kirche, die ihn in seinen letzten Jahren besonders beschäftigte, drei Viertel seines Barschatzes (während seinen Kindern und Enkeln zusammen nur ein Zwölftel der beweglichen Hinterlassenschaft zufiel, so viel wie der Hofdienerschaft). Und hingen auch die Prälaten ganz von ihm ab, war doch ihr Einfluß unter ihm, den zumindest alle fränkischen als allgemeines Haupt der Kirche anerkannten, beträchtlich gewachsen; sie zogen mit Karl in den Krieg, fungierten neben den Grafen als Richter und spielten die Hauptrolle am Königshof. 48
Zum engeren Mitarbeiter- und Freundeskreis des Herrschers zählten der Erzbischof Beornrad von Sens, der Patriarch von Aquileja, Paulinus, der Bischof Theodulf von Orléans, der Angelsachse Alkuin, früherer Leiter der Kloster schule von York, dann Abt von Saint-Martin in Tours, der einen fast entscheidenden Einfluß auf die Kaiserpolitik hatte. Überhaupt gehörten zu seinen nächsten, das Hofleben besonders beherrschenden Vertrauten einige weitere Äbte: sein Vetter Adalhard, Abt von Corbie, und dessen Nachfolger, Abt Wala von Corbie, ebenfalls Karls Vetter. Noch stärkeren Einfluß auf den Monarchen hatte Angilbert, der Abt von Saint-Riquier, der, beiläufig, auch noch Karls junger Tochter Bertha, der fünfzehn-und der zwanzigjährigen, je einen Sohn machte (Hartnid und Nithard, den Geschichtsschreiber) und infolge der »Wunder« an seinem Grab als Heiliger verehrt worden ist, in einer Vita des 12. Jahrhunderts als Heiliger erscheint.
Abt Fulrad von Saint-Denis leitete zunächst als oberster Kapellan die Hofkapelle und war »die beherrschende Figur unter Karls Helfern der Frühzeit«. Sein Nachfolger wurde Bischof Angilram von Metz, der 791 auf dem Awarenfeldzug starb, und dessen Nachfolger wieder Erzbischof Hildibald von Köln, der »unter Karl den ersten Platz in seiner Aachener Pfalz« einnahm (Fleckenstein). Die Hofkapelle, an sich ein rein geistliches Institut, erhielt, ganz konsequent, immer mehr politisches Gewicht. Ihr Vorsteher, der Erzkapellan (im Rang eines Erzbischofs ohne erzbischöfliches Amt), war erster Berater des Monarchen und einer der höchsten Würdenträger des Reiches. Unter Karl erledigten ausschließlich Geistliche die schriftliche Verwaltungstätigkeit, die bei den Merowingern sogenannte referendarii, meist Laien, besorgt hatten. Verbunden war die Hofkapelle mit dem Mittelpunkt der Regierung, der Hofkanzlei, die unter den Karolingern völlig klerikalisiert war und an deren Spitze der Kanzler oder Erzkanzler stand, gewöhnlich ein Kleriker. (Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts wurde in Deutschland das Amt des Erzkaplans und Erzkanzlers vereint. Und endlich wird der Primas des Reiches, der Erzbischof von Mainz, zugleich auch der höchste Beamte des Königs.) 49
Doch auch außerhalb der Zentralregierung, der weitgehend klerikalisierten königlichen Capella und der Kanzlei, hatte der fränkische Klerus einen großen und vielseitigen Einfluß auf das öffentliche Geschehen. Kirchliche Würdenträger übten rein politische Ämter aus. Sie hatten im Reich, das in 300 Grafschaften aufgeteilt war, neben den Grafen, nach dem Rechten zu sehen. Sie walteten auch als Königsgesandte (missi dominici), ein besonders wirksames Instrument der Zentralregierung, doch kein beliebtes, nicht zuletzt wegen der hohen Unkosten. (Ein Bischof, der in dieser Funktion kam, konnte für sich und seine Begleitung pro Tag vierzig Laib Brot erheben, drei Eber, ein Spanferkel, drei Hennen, drei modii Getränke und vier modii Futter für die Pferde.) – Im späteren 9. und im frühen 10. Jahrhundert wurde für Italien das Königsbotenamt sogar prinzipiell mit dem Bischofsamt verbunden. »Wir sind hergesandt«, beginnt die uns erhaltene Ansprache eines solchen Sendboten, »von unserem Herrn, dem Kaiser Karl, um eures ewigen Heiles willen, und wir befehlen euch, tugendhaft zu leben nach dem Gesetze Gottes und gerecht nach dem
Weitere Kostenlose Bücher