Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter
Passau, Salzburg, Brixen, Regensburg, Eichstätt, Freising, viele Klöster, besonders Niederalteich und Tegernsee. Hatten sie doch dafür die unerläßlichen Voraussetzungen für jede größere »Kolonisation«: Menschen und Mittel, die nötigen Hörigen und das nötige Geld. Das Christentum konnte sich im 10. und 11. Jahrhundert dort wieder ausbreiten und unter Stephan dem Heiligen endgültig etablieren: eine Basis für weitere fromme »Ausgriffe« nach dem Osten durch die Kreuzzüge! Die ersten drei (1096–1099, 1147–1149, 1189–1192) führten durch das christlich gewordene Ungarn in den Orient. 40
Vorher aber kamen noch die Slawen an die Reihe.
3. Die systematische Offensive gegen die Slawen beginnt
Gab es auch längst vor Karl I. gelegentliche Konflikte zwischen Franken und Slawen (vgl. S. 236 f.), so wurde doch ihr allmähliches Einsickern nach Thüringen, Bayern, bis an Naab und Regen, Main und Regnitz (»Reichswenden«), wurde das Vordringen von Menschen serbischer und böhmischer Herkunft im 7. und 8. Jahrhundert durch die fränkische Staatsgewalt nicht gestoppt, sei es, weil man nicht konnte, sei es, weil man nicht wollte. Die slawische Landnahme im 8. Jahrhundert im Gebiet am oberen Main soll sogar im Einvernehmen mit dem Reich erfolgt sein. Karl aber eröffnete als erster Frankenherrscher eine systematische antislawische Politik, mischte sich auch in innerslawische Verhältnisse ein und machte diverse benachbarte Stämme tributpflichtig bis zur Oder.
Es war die Vernichtung des Awarenreiches, die den Beginn der Christianisierung der mährischen Slawen eingeleitet hat. Sie kamen kurz nach dem ersten Feldzug 791 gegen die Awaren unter fränkische Oberherrschaft. 41
Doch dieser neue Erfolg stillte den königlichen Aggressionsdrang nach Osten nicht. Nun kam Böhmen an die Reihe, auf drei Seiten ja bereits vom Frankenreich umgeben. Und kaum hatte Karl Sachsen und Awaren endgültig überwunden, setzte er ein weiteres großes Kriegsunternehmen in Gang. Er warf 805, in dem Jahr, in dem sein Diedenhofener Capitulare den Waffenhandel mit Slawen beschränkte, drei Heere gegen die Böhmen, in den fränkischen Quellen Beheimi (Boemani) und Cichu-Windones (tschechische Wenden) genannt. Unter Führung seines ältesten Sohnes Karl ließ er Böhmen von drei Seiten angreifen und bis über die Elbe hinaus verwüsten, auf der ein viertes Heer mit Schiffen bis Magdeburg vordrang. Und während seine Truppen buchstäblich verheerend operierten, auch Lecho, den Böhmenherzog, töteten, vergnügte Majestät selbst sich wieder einmal monatelang auf der Jagd in den Vogesen.
Freilich – »die wahre Jagd war doch die Menschenjagd, der Krieg« (Riché). Schon 806 erfolgte ein neuer Feldzug gegen Böhmen, der eigentlich aber nur eine Wiederholung des letzten war. Wieder stieß man mit drei Heersäulen aus Bayern, über das Fichtelgebirge und von Norden her gegen die Böhmen vor, die in die unwegsamen Wälder entwichen. Man unterjochte auch die östlich des limes sorabicus siedelnden slawischen Stämme und erzwang Steuern, Gold, Silber, Vieh, das die Böhmen mindestens bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts entrichteten. Weitere erfolgreiche Angriffe wider die Heiden im Osten und Norden schlössen sich an. Noch 806 befahl Karl den Krieg gegen die Elbslawen, die Nachbarn der Böhmen. Nachdem einer ihrer Fürsten getötet worden war, unterwarfen sie sich. Und schließlich beugte man auch die Wilzen. 42
Böhmen, Wilzen und Awaren wurden, wie Notker der Stammler, der Mönch von St. Gallen, von seinem im kaiserlichen Gefolge ziehenden Recken Eishere aus dem Thurgau rühmt, »wie das Gras auf der Wiese gemäht«. Sieben, acht oder neun dieser »Kröten« (ranunculi) pflegte er auf seiner »Lanze aufgespießt« mit sich herumzutragen. Und unser Monachus Sangallensis läßt seinen Thurgauer Kämpen noch recht christlich hinzusetzen: »Unnützer Weise haben der Herr König und ich uns mit diesem Wurmzeug (vermiculos) abgemüht.« 43
Was die Slawen für den Mönch des 9. Jahrhunderts, immerhin einen Seligen der katholischen Kirche, waren, »Kröten« und »Wurmzeug«, sind sie durch sehr viele Jahrhunderte für sehr viele Christen geblieben.
Seit der Jahrhundertwende stand die »Slawenmission« für den Kaiser im Vordergrund. Ob es dabei mehr um Christianisierung oder um das Aufzwingen von Tributpflichten ging, sei dahingestellt. Jede Verweigerung der Abgaben wurde als Aufstand betrachtet und als Grund für einen neuen Krieg. Die
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