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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Reich und Kirche verhalfen Karl I. zu dem Attribut »groß«. Wer jedoch war das? Das Reich? Die Kirche? Adel und Klerus. Zumal: der hohe Adel, der hohe Klerus. Sie allein wurden die großen Profiteure. Denn selbst die Masse des eigenen Volkes, 90, 95 Prozent, vielleicht noch mehr, hatte davon nichts. Nicht einmal den Frieden im eigenen Land – denn die Kriege in Bayern, in Sachsen sind, zumindest zeitweise, schon Bürgerkriege gewesen.

Eins im Verbrechen – eins in der Heiligkeit
    »Karolus serenissimus augustus a Deo coronatus magnus pacificus« (Karl, der durchlauchtigste, von Gott gekrönte, große und friedebringende Kaiser), wie der Beginn seines umständlichen Titels seit 801 lautete, dieser friedebringende, von Gott gekrönte und auch »per misericordiam Dei« (durch das Erbarmen Gottes) regierende Kaiser, der sich seit 802 auch »imperator christianissimus« nannte und (angeblich) mit den Worten des 31. Psalms starb: »In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist«, dieser Mensch hatte ein Gemetzel nach dem anderen veranstaltet, in seiner 46jährigen Regierung, von 768 bis 814, nahezu fortgesetzt Krieg geführt, fast 50 Feldzüge, nur in zwei Jahren, 790 und 807, schlachtete er nicht – »eine glückliche Zeit für die Kirche« (Daniel-Rops). Kein Wunder, wenn er in den Chansons de geste, den französischen Heldenepen des Hochmittelalters, bereits »zweihundert und mehr Jahre alt«, mit den kühnsten seiner Recken in den Kampf reitet. Er hat die Langobarden, Sachsen, Friesen, die Bayern, Awaren, Slawen, die Basken, die Araber in Spanien, die Byzantiner in Süditalien bekriegt, in fast lauter kalt berechneten Angriffskriegen, und er hat dabei ungezählte Menschen in den Tod getrieben, einen oft grauenhaften, qualvollen Tod. Doch hat er nicht nur in Kriegen gemordet, sondern auch 4500 Gefangene töten und Tausende Familien vertreiben lassen – oder, wie es in einer der frühesten liturgischen Karlsdichtungen heißt, »Tausende niedergeworfen, die Erde von heidnischem Unkraut [!] gesäubert ..., die Ungläubigen bekehrt, die Götzenbilder zertrümmert, die fremden Götter vertrieben«. Wie denn für ihn selbst, nach seinem Biographen Einhard, die Sachsen- und Awarenkriege wichtiger waren als alle anderen politischen Aufgaben. Und wie dann ja gerade kirchliche Kreise des 10. Jahrhunderts die Sachsenkriege als sein bedeutendstes Werk für die christliche Mission in den Vordergrund stellten. 47
    Nicht nur darum nämlich, obschon schlimm genug, geht es, daß Karl »der Große« so gut wie pausenlos (die Winter meistens ausgenommen) geschlachtet, unterjocht, versklavt hat, daß er nichts so sehr war wie Krieger, Eroberer, Mörder und Räuber im größten Ausmaß – das, belehren uns seit längerem die gelehrtesten der Gelehrten, sei damals eben so üblich, sei sozusagen der (gute) Stil der Zeit gewesen, es zu tadeln ein gräßlicher Anachronismus, von unserer »aufgeklärten« (in Wirklichkeit doch noch ganz genau so erobernden, mordenden und raubenden) Zeit her geurteilt, sei überdies unangemessen richterlich, rigoristisch, moralisch beckmesserisch, kleinkariert. Nein, es geht auch darum, daß Karl »der Große« diesen ganzen ungeheuren Blutsumpf mit intensivster Beteiligung des Christentums und der Kirche seiner Zeit (die natürlich auch »zeitgebunden« waren!) angerührt, daß diese Kirche nie dagegen protestiert, vielmehr gewaltig davon profitiert hat. Es geht darum, daß christlicher Feudalstaat und christliche Feudalkirche so gut wie eins waren, eins gerade im Verbrechen.
    Denn Karl, dessen eigentliches »Staatsbuch« die Bibel war, zu dessen Lieblings werken Augustins »Gottesstaat« gehörte, regierte und agierte nicht nur als König der Franken, sondern auch als erklärter Schutzherr der Kirche, als Partner und Bundesgenosse des Papstes, wie seine Gesetzgebung, seine Korrespondenz, die Geistliche führten, und seine nächsten Mitarbeiter bezeugen. Dieser Monarch war eine Art Königspriester, war »rector et devotus sanctae ecclesiae defensor et adiutor in omnibus« (Lenker und der heiligen Kirche ergebener Verteidiger und Beistand in allen Dingen).
    Reich und Kirche sind im Imperium christianum unlösbar verquickt, Hoftage und Konzilien kaum noch unterschieden. Karl beruft Synoden, führt dabei den Vorsitz, er bestimmt nach eigenem Ermessen Bischöfe und Äbte, richtet die Bistümer in Sachsen, die er brauchte, selber ein. Er läßt den Papst, als er für seine Awarenattacke ein Erzbistum

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