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Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 04 - Fruehmittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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fortwährenden Feldzüge aber und das – auch im ganzen 9. Jahrhundert – bewußt eingesetzte »Prinzip ›divide et impera‹« (Nový) hatten jeden festeren Zusammenschluß der sorbischen Stämme zu verhindern.
    Besonders bemerkenswert dabei, daß der Krieg gegen die Böhmen kurz nach dem Besuch Papst Leos III. im Jahr 804 bei Karl begann, und überhaupt jetzt die Offensiven gegen die Slawen, im Unterschied zu allen früheren, schnell vorübergehenden Zusammenstößen, systematisch geführt worden sind. »Erst mit der Übersendung der Awarenbeute an den Papst und mit der Begründung des Erzbistums Salzburg kam es zu einem planmäßigen Vorgehen, und diese Ereignisse hängen ihrerseits wieder ... mit dem Bündnisschluß zwischen Karl und Leo III. im Jahre 796 aufs engste zusammen.« »Am Anfang der karolingischen Slawenmission steht Karls des Großen Bund mit Rom« (Brackmann).
    Am Ende all dieser Raubzüge stand ein Viertel des heutigen Südosteuropas unter fränkischer Oberhoheit: Böhmen, Mähren, Westungarn und der nordwestliche Balkan. 44
    808 und 810 führte Karl noch Feldzüge gegen die Dänen – ausnahmsweise Verteidigungskriege. König Göttrik hatte 808 Nordalbingien überfallen, den Ostseehafen der Abodriten, der mit den dänischen Häfen konkurrierte, zerstört, hatte zwei Jahre später mit einer Flotte von 200 Schiffen Friesland heimgesucht und die Friesen in drei Schlachten geschlagen. Karls Abwehr war nicht sehr erfolgreich, und Göttrik drohte, demnächst gegen Aachen zu ziehen. Karl, der einen gefährlichen, vielleicht sogar katastrophalen Schlag erwarten mußte, inspizierte seine Flotte und trommelte im ganzen Reich Truppen zusammen. Doch der Dänenkönig kam nicht. Einer seiner Leibgardisten hatte ihn getötet.
    Die »Expansionskraft« der Franken war inzwischen erschöpft, auch die Kriegslust vieler, besonders die der freien Bauern; und der Landhunger des Adels war weitgehend saturiert. Im nächsten Jahr schloß Karl Friede mit den Dänen (deren Land Thron- und Parteikämpfe zerrissen) – und jagte gleich darauf drei Heere in die verschiedensten Himmelsrichtungen, »eines über die Elbe gegen die Linonen, welches ihr Gebiet verwüstete und die im vorigen Jahre von den Wiltzen zerstörte Feste Höhbeck an der Elbe wiederherstellte, das andere in die pannonischen Länder, um den Streitigkeiten mit Hunnen und Slawen ein Ende zu machen, das dritte endlich gegen die Bretonen, um sie für ihre Treulosigkeit zu bestrafen. Alle führten ihre Sache glücklich aus und kehrten ohne Verlust zurück« (Annales regni Francorum). 45
    Der Verlust war fast immer auf der anderen Seite. Ganz überwiegend. Und das Unglück auch. Doch davon sprechen die fränkischen Quellen kaum, andeutungsweise, allenfalls – wie die Historiker in der Regel (und ich rede hier, wie auch sonst stets, nur vom
Regelfall
) noch jetzt. Sie halten sich eben an das, was sie lesen. Woran sonst? Ist das nicht korrekt? Eben nicht. Denn wo so viel Triumph gemeldet wird, so viel Sieg und Heil und Heil und Sieg, gibt's stets auch viel vom Gegenteil, und bei den Besiegten nicht allein. Doch davon schweigen weithin die Sänger, von den alten Annalisten bis zu den Gelehrten heute. Sie alle liegen vor Karl »dem Großen« ganz gewöhnlich auf dem Bauch.
    Warum? Doch nicht wegen der – um sie denn einmal zu nennen – Karolingischen Renaissance? Die ja, nach Motiv wie Zusammenhang, vor allem mit der »Reform« der fränkischen Kirche sich verband; die, wie diese, im wesentlichen dieselbe Zielsetzung hatte, somit auch niemandem mehr als der Kirche diente; den Geistlichen und Mönchen, ihrem – gewöhnlich! – Minimum an Wissen, an Bildung, der »Emendation« gerade auch christlicher Opera, des Alten, des Neuen Testaments, der Kirchenväter ... Während etwa die Erstellung einer deutschen Grammatik, die Sammlung germanischer Literatur schon unter Karls Sohn und Nachfolger Ludwig dem Frommen wieder abgebrochen worden ist. 46
    Natürlich leugnet niemand auch sonst einen gewissen Gewinn; etwa für die Tradierung antiker klassischer Texte. Doch dies stand nicht im Vordergrund. Und überhaupt: auch die »Karolingische Renaissance« war eine Frucht der karolingischen Kriege. Wie auch, was sonst noch für diesen Frankenkönig sprechen mag, ohne diese Kriege nicht denkbar ist. Einzig und allein sie, einzig und allein dies brutale Ausschreiten über tausendfaches Unrecht und Leid hinweg, einzig und allein dieser vieltausendfache Terror zum Nutzen für

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