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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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sich »ganz uneigennützig für die Sache Christi erschöpfte« (Riché), ging in der Fremde unter, und als er am 12. August 875 bei Brescia gestorben war, erbte seinen gesamten Eigenbesitz in Italien – die Kirche. Kein Wunder, daß sich Bischof Anton von Brescia und Erzbischof Ansbert von Mailand sogleich um seine Leiche rauften. Bischof Anton hatte sie bereits in der Kirche der Jungfrau seiner Stadt beigesetzt, als sie der Mailänder Metropolit in Begleitung der Oberhirten von Bergamo und Cremona und der gesamten Klerisei unter Hymnen nach Mailand holte.
    Da der Kaiser keinen männlichen Nachkommen hinterließ, sollten die ostfränkischen Karolinger begünstigt und einer seiner Vettern König von Italien werden; der Herrscher soll noch Karlmann, den ältesten Sohn des Monarchen, als seinen Nachfolger bezeichnet haben; auch seine Witwe Angilberga und ihr Anhang wirkten in. diesem Sinn. Aber Ludwig der Deutsche war alt, sein Reich ging der Teilung unter drei Söhne entgegen, die italienischen Großen waren uneins, und Papst Johann VIII. hatte die Kaiserkrone Karl dem Kahlen zugedacht, dem sie zuletzt ja schon Johanns Vorgänger Hadrian II. heimlich versprochen. Dabei hatte dieser – seine letzte überlieferte Amtshandlung – Ludwig II. Mitte Mai 872 in St. Peter ein zweites Mal zum Kaiser gekrönt. Im selben Jahr aber, in seinem Todesjahr, schrieb der Papst an Karl: »Wir versichern euch aufrichtig und treu – doch sei dies eine geheime Rede und ein nur den Vertrautesten mitzuteilender Brief –, daß ..., falls euere Hoheit bei unseren Lebzeiten den Kaiser überlebt, und wenn jemand uns auch viele Scheffel Gold anbieten sollte: Wir werden niemand anderen zum römischen König und Kaiser wünschen und fordern und freiwillig annehmen als dich ... Falls du unseren Kaiser überlebst, so ... wünschen wir alle dich nicht nur als unseren Anführer und König, Patricius und Kaiser, sondern als Schutzherrn der gegenwärtigen Kirche ...«
    Nur an den Vorteil der römischen Kirche dachte natürlich auch Johann VIII., der 872 Papst wurde und nun dem westfränkischen König den Kaiserthron anbot, was er später so erläutert: »Karl zeichnet sich aus durch seine Tugend, seine Kämpfe für den Glauben und das Recht, sein Bemühen, die Geistlichkeit zu ehren und zu unterweisen. Gott hat ihn daher auserwählt zur Ehre und Erhöhung der römischen Kirche.«
    Zum Vorteil Italiens war dies nicht, sollte es auch nicht sein. Vielmehr folgten lauter rasch wechselnde instabile Regierungen: Karl der Kahle, Karlmann, Karl III., Berengar I., Wido. Und kaum jemand verhinderte im Regnum Italiae so zielstrebigselbstsüchtig wie die Päpste von Jahrhundert zu Jahrhundert jede eigenstaatliche Entfaltung. 37
    Unter Hadrian II. hatte Rom mancherlei peinliche Kompromisse und Einbußen hinnehmen müssen. Den wohl größten Verlust aber erlitt es im Zusammenhang mit einem Missionsstreit, der sich aus einem Kompetenzkonflikt zu einem Kampf zwischen Ost und West auf der Balkanhalbinsel und darüber hinaus entwickelte.

Rom verliert Bulgarien

    Bei der Ausbreitung des Christentums arbeiteten die Kirchen des Ostens und Westens einander nicht zu, sondern entgegen; sie konkurrierten scharf. Jede Seite wollte möglichst viel an sich reißen. Die Franken von Böhmen und Mähren, von Kroaten und Serben, die Griechen im Land der Waräger (altruss. varjag = Wikinger) von Kijew – skandinavische Herren, die sich dort mit ihrem Gefolge im späten 8. oder frühen 9. Jahrhundert festsetzten (S. 464). Doch machten griechische Prediger auch im Mährischen Reich Front gegen die Franken. Und als Khan Boris von Bulgarien 862. dem ostfränkischen König wider dessen aufständischen Sprößling Karlmann beistand, worauf die Franken die Christianisierung Bulgariens ins Auge faßten, bekriegte Michael III. von Byzanz die Bulgaren und zwang sie durch seine Priester zur Taufe. Die Bulgaren, deren Nation im Lauf des Frühmittelalters aus der Verschmelzung von Thrakern, Slawen und Protobulgaren entstand, waren Asiaten vom Mittel-und Oberlauf der Wolga, wo sie ein (dann mohammedanisch gewordenes) Khaganat gegründet hatten; es behauptete sich mit seiner Hauptstadt Bulgar bis ins Spätmittelalter, bis es der Mongolensturm überrollte.
    Im Gefolge der Hunnen kamen bulgarische Volksgruppen an die Donau, auf den Balkan, wurden dort allmählich seßhaft und ein gefährlicher Nachbar von Byzanz. Als Wall gegen sie errichtete Kaiser Anastasios I. (491–518), ein entschiedener

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