Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Pferdeschweif als Fahne in die Schlacht zu ziehn, sondern mit dem Kreuz! So wurde der Bulgarenkhan schließlich überzeugt, er bekannte sich als Diener des hl. Petrus und erklärte seine Unterwerfung – »die abendländisch-römische Obödienz hatte nahezu die Tore von Konstantinopel erreicht!« (Handbuch der Europäischen Geschichte).
Freilich, auch Roms Triumph währte nicht lang. Denn da Fürst Boris keinen autokephalen bulgarischen Patriarchen bekam, da weder Nikolaus I. den erbetenen Bischof Formosus noch Nikolaus-Nachfolger Hadrian II. den angeforderten Diakon Marinus schickte, da Boris zudem hören mußte, der römische Papst und der Patriarch von Konstantinopel hätten einander gegenseitig exkommuniziert und abgesetzt, wandte sich die von Byzanz stets eifrig umworbene bulgarische Kirche gleich nach dem Konzil von Konstantinopel 869/870 wieder dem dortigen Patriarchat zu, womit ihr Missionsgebiet erneut an die griechische Kirche fiel. Und nun wurden, allen päpstlichen Protesten zum Trotz, die lateinischen Priester vertrieben. Und mochte auch Johann VIII. bald noch so sehr den Bulgarenzaren mahnen, warnen und mit Petri Himmelsschlüsseln locken, drohen, mochte er sich wie auch immer mühen, Bulgarien doch noch unter das römische Heil und gegen die »sub fide falsi« zu zwingen, es blieb fortan bei Konstantinopel und konnte so auch seine Eigenständigkeit wahren. 928 wurde die bulgarische Kirche von der byzantinischen als autokephal anerkannt.
Photios aber, alles im Christentum seiner Zeit überragend, stürzte 886 ein zweitesmal und zog sich hinter Klostermauern zurück, zumindest als Theologe und Gelehrter bis heute berühmt. Und auch Khan Boris, der grausame Schlächter seines heidnischen Adels, der Mörder von Frauen und Kindern, wurde (889) Mönch – und heilig, sogar Nationalheiliger der Bulgaren (Fest 2. Mai). 40
Verdient, verdient.
Rom gewinnt Böhmen und Mähren – Die »Slawenapostel« kommen
In Mähren hatte Ratislaw klar erkannt, ein Anschluß an die Kirchenprovinz Salzburg würde seine Unabhängigkeit noch stärker gefährden. So erstrebte er auf der Höhe seiner Macht die kirchliche Loslösung von Bayern, suchte er durch Einladung italienischer Missionare Rückhalt in Rom, dachte er an eine nur dem Papst verbundene slawische Landeskirche. Nachdem ihn Nikolaus aber mit Rücksicht auf die Reichskirche und Ludwig den Deutschen abgewiesen, wünschte er eine Anlehnung an Byzanz, für ihn politisch weniger gefährlich als die nahen frä nkischen Nachbarn. Er drängte also die bayerische Mission zurück und bat 862 Byzanz um Entsendung von griechischen Geistlichen. Und bald schickte Cäsar Bardas, nur wenige Jahre vor seiner Ermordung wie der auch Kaiser Michaels durch dessen Nachfolger Basileios, die beiden Brüder Konstantin und Methodios mit ihren Missionaren. So gewann das Großmährische Reich nicht nur seine faktische Unabhängigkeit von den unterwerfungssüchtigen Ostfranken, sondern auch ein slawisches Christentum, gewann in Anlehnung an die griechisch-byzantinische Kirche vorerst eine Nationalkirche Mährens.
Konstantin (meist mit seinem späteren Namen Kyrill genannt) und Methodios, das als »Slawenapostel« bekannt gewordene Brüderpaar, entstammte einer hohen Beamtenfamilie in Thessalonike (Saloniki) und wurde im Umkreis des Patriarchen Photios in Konstantinopel ausgebildet. Der um 815 geborene ältere Methodios war zunächst kaiserlicher Stratege, dann Abt, der jüngere Konstantin, ein Diakon, vielleicht Priester, hatte den Lehrstuhl des Photios übernommen und ging 860 zuletzt als kaiserlicher Gesandter zu den Chasaren in der heutigen Ukraine. Beide hatten schon in der Slawenmission Erfahrungen gemacht, und als Ratislav zwei Jahre später Michael III. um Lehrer ersuchte, die u.a. byzantinische Gesetzbücher ins Slawische übertragen sollten, brachen die beiden Brüder an der Spitze einer Missionsdelegation auf.
Die »Slawenapostel« konnten zu den Mähren in deren Muttersprache sprechen und predigen, sie vermochten die christliche Liturgie, die römische Messe (»St.-Peters-Liturgie«), in der slawischen Sprache und in der kirchlichen Tradition des Orients zu praktizieren, und sie übertrugen auch die Bibel in die Volkssprache. Mit alldem schufen sie ein als »Altkirchenslawisch« bezeichnetes Kirchen- und Liturgie-Idiom. Doch all dies führte auch zu einem schweren Streit mit dem in Ratislavs Bereich längs der Donau bereits tätigen lateinisch-fränkischem Klerus. Und dies um
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