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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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zu dessen König. Alle weltlichen und geistlichen Großen, außer dem Papst, leisteten ihm einen Treueid. Doch zur gewaltigen Enttäuschung des Römers hatte Karl gar keine Lust auf die Kaiserkrone, gar keine Lust, sich dann »mit den Heiden und falschen Christen« herumzuschlagen. Vielmehr kehrte er im Mai wieder über die Alpen zurück und hinterließ zum Schutz des Papstes nur die ihm wenig gewogenen Herzöge von Tuszien und Spoleto.
    In wahrer Verzweiflung bat Johann jetzt, der König möge doch für den Staat des hl. Petrus sorgen, einen bevollmächtigten missus (Legaten) nach Rom schicken. Er bettelte, klagte, und wieder nicht nur einmal. Doch als das Kommen des Herrschers selbst bevorstand, machte er ihm plötzlich in seinem letzten Brief vom 25. Januar 880 Bedingungen, drohte, warf ihm Übereilung vor, verbot ihm, die Grenzen des Kirchenstaates zu überschreiten, bevor er zum Wohl seiner Seele Garantien gegeben, bevor er seine, des Papstes, durch einen Legaten überstellten Wünsche sanktioniert habe, in jedem Wort und Paragraphen.
    Karl scherte sich allerdings nicht darum, reiste sehr gemächlich, monatelang in Oberitalien verweilend, nach Rom und wurde am 12. Februar 881 in St. Peter – mit einer Krone aus der Schatzkammer des hl. Petrus – zum römischen Kaiser gekrönt, als erster aus der ostfränkischen Linie der Karolinger. Sie siegte über die papale Politik, freilich erst nachdem der Papst schon in Ravenna Karls folgenschweres Versprechen erlangt hatte, »die Verträge und Privilegien der heiligen römischen Kirche zu bewahren«; ein Versprechen, das der König von Italien, der rex Romanorum, wie er später hieß, durch das ganze Mittelalter vor dem Empfang der Kaiserkrone leisten mußte. 23
    Karl aber, ein Machthaber, dessen Wirken in wenig mehr als im Abwarten, im Nichtstun bestand, das ihm ja auch Erfolg über Erfolg brachte, lenkte, nun im Besitz der Kaiserwürde, seine Schritte noch gemächlicher zurück, wobei er ein ganzes Jahr in Pavia und Mailand verbrachte, auch einen Ausflug an den Bodensee unternahm, während ihn Johanns Bettelei unablässig verfolgte. Bloß Jammer und Trauer ohne Ende sah der Römer rings um sich. Die Übel wüchsen von Tag zu Tag, schrieb er, es wäre besser zu sterben, als sie länger zu ertragen. Krieg wider Christen und Sarazenen wünschte er und bat Karl, ohne Aufschub ein Heer zu senden, endlich Ordnung zu schaffen – vergeblich. So klagte Johann (der Kaiserin und Erzkanzler Liutward) weiter sein Leid. Der Schlaf fliehe seine Lider, die Speise seine Lippen. Mitten in der Finsternis hoffte er auf Licht, wagte aber Rom nicht mehr zu verlassen und fürchtete, gefangen und erdrosselt zu werden. 24

Papst Johann jagt Sarazenen – die Katholiken kollaborieren mit ihnen

    All die Anpassungsaktionen des Papstes dienten nicht zuletzt dem Ziel, seine Hausmacht, den Kirchenstaat, zu vergrößern, ihm insbesondere Teile des Südens zu unterwerfen. Dort jedoch häuften sich seit Beginn der islamischen Besetzung des byzantinischen Sizilien 827 allmählich die maritimen Attacken der »Piraten«, mehr oder weniger spektakuläre Überfälle, deren Tragweite man am fränkischen Kaiserhof offenbar nicht erkannte. Zumal seit dem Zusammenbruch von Kaiser Ludwigs Macht stießen die Araber von Sizilien und Tarent aus meist an der Westküste vor. Die Sabina, Latium, Tuszien wurden geplündert, die päpstlichen Landgüter, die Klöster verheert, Rom und seine Schätze selbst bedroht. Johann VIII., durch seinen »fanatischen Eifer«, »vor allem aber durch seinen heiligen Kriegseifer eine der bedeutendsten Figuren der dunklen Geschichte des späteren 9. Jahrhunderts« (Eickhoff), segelte schließlich als erster Papst mit eigener Flotte gegen die Mohammedaner, nahm ihnen am Kap der Circe 18 Galeeren weg und garantierte jedem seiner Gefallenen die ewige Seligkeit (S. 237 f.). Alle Welt forderte er zur Sarazenenjagd auf: die Italiener, Karl den Kahlen, Boso von Vienne, den dalmatischen Fürsten Domagoj, einen »charismatischen« Kroaten und Piraten, dessen Schiffe »häufig Seeraub in der Adria« betrieben (Ferjancic), was ihm Venezianer und Byzantiner auf den Hals hetzte.
    Der päpstliche Kampf, der ja keinesfalls nur den Sarazenen, nur dem Landesschutz galt, sondern insgeheim eben der Unterjochung Süditaliens, war freilich nicht sehr aussichtsreich. Um so weniger, als katholische Fürsten und Kirchenfürsten mit den Feinden Christi kooperierten, um sich gegen östliche wie westliche

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