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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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war Formosus ein Konkurrent bei Johanns Erhebung, war er selbst scharf auf die päpstliche Würde – und er bekam sie ja noch (S. 326).
    Als Formosus sich seiner Verurteilung durch Flucht ins westfränkische Reich entzog, verließen auch andere Persönlichkeiten Rom; Leute, die, betraut mit den wichtigsten Ämtern des Hofes, jahrelang in Johanns nächster Umgebung geweilt und da durch Unterschlagungen, Frauenaffären, Raub und Mord sozusagen Figur gemacht.
    Der Schatzmeister des Papstes, vielleicht auch Herr der gesamten Verwaltung, ein gewisser Georgius vom Aventin, hatte wegen Weibergeschichten den eigenen Bruder umgebracht, sich durch die Hochzeit mit einer Nichte Papst Benedikts III. finanziell saniert, darauf, fast öffentlich, seine Frau ermordet, um nun, durch Bestechung des Richters ungestraft, Konstantina zu heiraten, die ihn freilich selber sitzen ließ, überhaupt ebenso locker mit Männern umging wie mit Geld. Schließlich war sie die Tochter des päpstlichen Zeremonienmeisters Gregor, der sich seinerseits schon unter Hadrian II. angeblich durch Betrug und Räubereien enorm bereichert hatte und als Apokrisiar den Papst vertrat. Auch der Milizführer Sergius gehörte zu diesem illustren Kreis. Aus pekuniären Gründen ehelichte er eine Nichte Nikolaus' I., verstieß sie jedoch wieder, um mit seiner fränkischen Konkubine Walwisindula zusammenzuleben. 28
    All diese sowie weitere ehrenwerte christkatholische Herren wurden nun unter Johann VIII. des Einverständnisses mit den Arabern bezichtigt, mit anderen Papstfeinden, dem Herzog von Spoleto und Camerino, mit Adalbert von Tuszien. Und als das Gerücht von ihrer bevorstehenden Liquidierung oder Verstümmelung umging, flohen sie in einer Frühjahrsnacht des Jahres 876 mittels eines Nachschlüssels durch die Porta S. Pancrazio aus der Ewigen Stadt. Dabei hatten Georg und Gregor erst noch den Lateran nebst sonstigen Gotteshäusern beraubt und den Kirchenschatz mitgehen lassen. Johann exkommunizierte sie und den angeblich nach der Papstwürde begierigen Formosus, der übrigens gleichfalls mit Hilfe von Geldern aus Kirchen und Klöstern seines Bistums seine Flucht bestritten haben soll.
    Auf der Synode von Troyes (S. 251 f.) anno 878 wandten sich dann die Bischöfe in Anwesenheit des Papstes (»unsere Tränen mit den Euren vereinigend«) wiederum gegen all diese »boshaften Menschen und Teufelsdiener« und erklärten in einem pompösen Wortschwall noch einmal deren »Vernichtung mit dem Schwerte des heiligen Geistes«, brachten noch einmal »mit Herz und Mund, mit unserem einhelligen Willen und mit der Autorität des heiligen Geistes« die Verdammung jener »zur Vollstreckung«, indem sie »alle, welche Ihr, wie gesagt, exkommuniziert habt, für exkommuniziert, die Ihr aus der Kirche verstoßen habt, für verstoßen, die Ihr verflucht habt, für verflucht« erklärten. Und nachdem sie ihrem »heiligsten und ehrwürdigsten Herrn und Vater der Väter Johannes« derart beigesprungen waren, erheischten sie unmittelbar darauf seine Hilfe »gegen die Räuber unserer Kirchen«, »wider die nichtswürdigen Räuber und Verwüster der kirchlichen Besitzungen und Güter, sowie gegen die Verächter des heiligen bischöflichen Amtes ...«
    Vier Jahre später war allerdings der Römer selbst an der Reihe. In einer Palastrevolte am 16. Dezember 882 hat ihn ein frommer Verwandter, der selber Papst und reich werden wollte, vergiftet und dann, weil das Gift nicht schnell genug wirkte, wie die Annales Fuldenses kurz doch eindringlich schildern, ihn »so lange mit einem Hammer geschlagen, bis dieser im Gehirn stecken blieb« (malleolo, dum usque in cerebro constabat, percussus est, expiravit) – der erste Papstmord. Und ein Beispiel, das Schule machte (S. 477). 29
    Während so die Christen übereinander herfielen, nicht nur im engeren Umkreis der Päpste, nicht nur in Italien, während ihre Großen sich gegenseitig erpreßten, während sie raubten, töteten, brandeten im Süden die Sarazenen, im Norden weiter die Normannen an. Ja, die Normannennot war wieder schlimmer geworden. Sogar Frankenkönig Karlmann fragt im Jahr 884: »Soll man sich wundern, daß die Heiden und fremden Völker Herr über uns werden und unseren zeitlichen Besitz wegnehmen, wo doch jeder von uns mit Gewalt seinem Nächsten das Lebensnotwendige entreißt? Wie sollen wir mit Zuversicht gegen unsere und der Kirche Feinde kämpfen, da wir doch in unserem eigenen Haus das den Armen geraubte Gut aufbewahren [Jes.

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