Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Kaiser und gegen den Heiligen Vater zu schützen, natürlich auch vieler Handelsvorteile wegen (in der apologetischen Diktion des Daniel-Rops: »ja selbst politische Bischöfe versuchten, ihre kleinen Schifflein selbständig zu steuern«). Die Christen schlossen Bündnisse, Verträge mit den »Ungläubigen«, sie warben Söldner bei ihnen, duldeten sie in nächster Nachbarschaft, versorgten, schützten sie, manche fochten anscheinend sogar auf sarazenischen Kriegszügen gegen Christen. Neapel, Gaeta, Amalfi, Salerno hielten es mit den Arabern. Und der Papst, der eine unteritalische Liga um sich zu sammeln suchte, schleuderte Bibelsprüche und Bannstrahlen gegen die Ungetreuen, die er gelegentlich noch für ein Bündnis bezahlte. 25
Zum Beispiel die Amalfitaner.
Amalfi, die Küstenstadt am Golf von Salerno, zwischen Gebirg und Meer sowie den benachbarten Gebieten von Sorrent, Neapel, Salerno gezwängt, konnte sich nur durch eine starke Flotte und wechselnde Zusammenschlüsse eine gewisse Eigenständigkeit schaffen. 846 und 849 bekämpfte es an der Seite Neapels die Sarazenen, später stand es mit Kaiser Ludwig II. gegen Neapel. Dann paktierte es schon aus Handelsinteresse mit den Arabern. Da Johann VIII. sie von diesen abzubringen, sich selbst ihre Flotte zu sichern suchte (jährlicher Küstenschutz zwischen Traetto und Civitavecchia, die beide der Kirche gehörten), hatten die Amalfitaner von ihm 10000 Goldstücke (Silberschillinge, mancusi) kassiert, doch keinem Sarazenen ein Haar gekrümmt und auch dem Papst keinen Denar zurückgezahlt. Vielmehr behaupteten sie bald, ihnen stünden vertraglich 12000 zu und kollaborierten, obwohl ihnen Johann ja 879 die 10000 gegeben, weiter mit den Feinden des Herrn. Auch als der Papst ihnen einerseits 1000 Goldstücke zusätzlich für das laufende Jahr und völlige Zollbefreiung für ihre sämtlichen Handelsschiffe im Hafen von Rom versprach, andererseits dem Bischof wie dem Präfekten von Amalfi Ende 879 Exkommunikation und Bann androhte nebst Handelsboykott »in allen Ländern, in denen sie Handel zu treiben pflegten«, konnte weder Drohung noch versprochene Subsidien-Aufstockung die Amalfitaner zum Krieg für Seine Heiligkeit bewegen.
Schwierigkeiten auch mit Capua.
Die Stadt in Kampanien, 456 von den Wandalen, 841 von den Sarazenen zerstört, dazwischen byzantinisch, lange langobardisch, war 856 unter dem Bischof Landulf etwas abseits an einer Schleife des Volturno neu errichtet worden. Zugleich begründete Landulf eine Dynastie, die seit 900 den Fürstentitel führte. Schon der Prälat gebot auch über die weltliche Gewalt seines Gebietes und kooperierte anhaltend mit den Widersachern Christi, während der Heilige Vater Jagd auf sie machte. Eide, die Landulf dem Kaiser, dem Papst, dem Fürsten von Salerno geleistet, kümmerten ihn so wenig wie die kirchlichen Dogmen. Bloß Macht und Genuß fesselten den Seelenhirten, der einen Hof wie ein Sultan führte, weit mehr von Eunuchen als von Klerikern umgeben. Und indes er sich mit den Sarazenen verband, stritt er mit dem Kloster Monte Cassino, öffentlich erklärend, so oft er einen Mönch erblicke, sei es von schlimmer Vorbedeutung für ihn. 26
Mehr Glück hatte Johann in Salerno.
Er besuchte es 876, brachte Herzog Guaiferius von seinem Bündnis mit den Arabern ab, und bewaffnete ihn gegen Neapel. Der wackere Katholik ließ nun nicht nur, nach dem Vorbild seiner Verwandten in Benevent, alle ihm dienstbaren Moslems erschlagen, sondern auch, auf Befehl des Papstes, 25 gefangene neapolitanische Adelige köpfen.
Tötung gefangener Moslemführer: päpstliche Bedingung für Wiederaufnahme in die Kirche
In Neapel befehdeten sich jahrelang der Stadtherr Sergius II. und sein Bruder Athanasius, den Papst Johann zum Stadtbischof gemacht hatte. Der Herzog, der um keinen Preis von den Sarazenen lassen wollte, vertrieb Athanasius und suchte ihn schließlich mit sarazenischer Hilfe endgültig zu beseitigen, was freilich mißlang.
Der Papst nämlich benutzte im März 877 die Synode von Gaeta, um einen Aufstand in Neapel anzustiften, und finanzierte sogar mit seinem Gold die Revolution. Bischof Athanasius riß dem eignen Bruder Sergius die Augen aus und schickte den so Zugerichteten dem laut jubelnden Heiligen Vater, der den »neuen Holofernes« eingekerkert verhungern läßt. Folgen bares Gold, Bibelsprüche und viel Lob aus Rom für die »gottgefällige Tat«, den bischöflichen Brudermörder, den »Mann Gottes«, wie der Papst ihn
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