Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Ludwig den Frommen weitergegeben, Papst Leo III. (795–816) Karls Oberherrschaft über den Kirchenstaat von Anfang an anerkannt. Er hatte ihm noch in Kircheninterna so gut wie immer gehorcht und als sein Untertan auch seine Münzen nach den Regierungsjahren des Kaisers datiert, ja diesem, nach dessen Kaiserkrönung, durch einen Kniefall gehuldigt (IV 446 ff.). Und nach des Vaters Beispiel gab auch Ludwig der Fromme die Kaiserkrone an Lothar I., seinen Erstgeborenen, wie dieser wieder seinen Ältesten zum Kaiser selbst bestimmt. Die kirchliche Segnung durch den Papst kam nachträglich dazu, doch folgte daraus noch kein päpstliches Verfügungsrecht, das aber Johann VIII. aus der Krönung Karls des Kahlen ableitet, allerdings auch an Nicht-Karolinger, womit sich die Kandidaten fraglos gern abfanden.
Letzter Appell an Boso »...jetzt ist der Tag des Heils« oder Johanns »vierfaches Spiel«
Natürlich gab es genug Widersacher gegen die papalen Ambitionen, vor allem unter den italienischen Fürsten und Kirchenfürsten. Und Erzbischof Ansbert von Mailand, der sie anführte, war schon zu der im Dezember 878 nach Pavia einberufenen Synode nicht erschienen. Johann hatte seinerzeit, von Boso und dessen Gattin geführt, den Mont Cenis überquert und in Turin drängend und schmeichelnd die italienischen Großen nach Pavia bestellt, um dort über »die Lage der heiligen Kirche Gottes und die Ruhe des Landes« zu beraten. Doch keiner kam. Selbst als der Papst den Termin verschob und abermals und dringender Fürsten und Kirchenfürsten nach Pavia beschied, ja, vom westfränkischen König »zur Bekämpfung seiner Feinde« Truppen erbat, blieb alles aus und der Heilige Vater samt seinem Paladin allein in der Stadt.
So setzte jeder von ihnen für sich die Reise fort, Boso zurück in die Provence, der Papst zurück nach Rom. Und als er Ansbert samt allen seinen Suffraganen nun zu einer Synode im Mai 879 befahl, um u.a. auch die Einsetzung eines neuen Königs von Italien zu besprechen, die seines Adoptivsohnes Boso selbstverständlich, kam Ansbert wieder nicht; er entschuldigte sich nicht einmal und wurde exkommuniziert. Und als der Metropolit, der seelenruhig weiter die Messe las und seines Amtes waltete, auch auf einer Synode im Oktober in Rom nicht eintraf, wurde er abgesetzt. Freilich – im nächsten Jahr gab er klein bei und schwur dem Papst einen Treueeid.
An Boso aber wandte sich Johann auch aus Italien noch ein letztesmal, indem er mit biblischem Zungenschlag lockte: »Den geheimen Plan, den wir unter Gottes Hilfe zu Troyes mit Euch verabredet, bewahren wir sonder Zweifel fest und unwandelbar in unserer apostolischen Brust wie einen verborgenen Schatz und wünschen, so lange wir leben, ihn, so viel an uns liegt, mit allen Kräften rüstig zu vollenden. Darum sollt Ihr, wenn es Eurer Hoheit beliebt, ihn jetzt in's Werk richten; denn, wie der Apostel ermahnt: Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils, an dem Ihr mit dem Herrn Eure Wünsche wirksam erfüllen könnet.«
Doch vermutlich hatte Papst Johann bereits des längeren erkannt, daß Boso ihm nicht mehr dienen konnte oder wollte. Also gab er den geliebten Adoptivsohn, dessen »teure Freundschaft« er doch »um keines Menschen willen« missen wollte, offenbar um Gottes willen preis. Nun appellierte er – zweifellos noch immer zur angenehmen Zeit, am Tag des Heils – an die ungeliebten Frankenkönige, den Schwabenkönig Karl und an Karlmann, deren beider Reiche an Italien grenzten. »Während er sich stellte, als hielte er an Boso fest«, schreibt Johannes Haller, »und beteuerte, bei keinem andern Hilfe gesucht zu haben, knüpfte er schon mit Karl von Schwaben an und versprach ihm jede Erhöhung, verhandelte aber noch eifriger mit Karlmann, sendete dem schon seit Monaten vom Schlagfluß Gelähmten und der Sprache Beraubten noch im Sommer 879 durch zwei Bischöfe einen Hilferuf mit der Versicherung, sonst niemandes Beistand gewünscht zu haben, stellte ihm Ehre und Heil in diesem und jenem Leben in Aussicht, ja drohte ihm mit dem Richterstuhl Christi. Sogar den ältesten der deutschen Brüder, Ludwig III. von Rheinfranken und Sachsen, also den entferntesten der Karolinger, hat er mit der römischen Kaiserkrone zu locken gesucht, die ihm höheren Ruhm als allen seinen Vorfahren bringen und alle Königreiche zu Füßen legen werde. Dabei verlangte er nach wie vor, daß man sich im Königreich Italien nach ihm richte ...« Und auch Ludwig III. den
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