Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
dann, nachdem Utas Bruder dem abgereisten »Heiligen« nachgejagt ist, dieser wie ein großer christlicher Blutzeuge. Hat Herzogssohn Lantpert doch »fünf flaischhacker« engagiert, »dy des hayliges mannes leichnam sand Haymram von ader zu ader, von glied zu glied zwerlegen«. Und während man ihn grauenhaft verstümmelt, ihm die Augen ausreißt, Nasen und Ohren abschneidet, Hände, Füße und das (natürlich nur vermeintlich) unkeusche Glied, dankt er Gott »mit großer Andacht« für die herrliche Tortur. 10
Emmerams Verehrung als Heiliger setzt freilich erst Jahrzehnte nach seinem Tod ein, dann allerdings begleitet von den schönsten Mirakeln, Krankenheilungen, Teufelsaustreibungen, nicht zuletzt Strafwundern (denn die Regensburger Bischöfe vergriffen sich immer wieder an seinem stets wachsenden Besitz. Auch Leibeigene schenkt man dem Heiligen später!)
Der gloriose Kult, noch im 17. Säkulum neu belebt, dehnte sich im Frühmittelalter nicht nur über Bayern aus. Unter den ostfränkischen Karolingern aber erreichte Emmeram seine größte Bedeutung als Stammesheiliger, und unter Arnulf wird er persönlicher Schutzherr des Kaisers, wird Schlachtenhelfer gegen die Mährer. Ihm allein glaubt der Herrscher beim Feldzug 893 wider Swatopluk (S. 308) seine Rettung aus Lebensgefahr zu verdanken, weshalb er die bayerischen Klöster reich begabte, besonders St. Emmeram, das den gesamten Schmuck seiner Pfalz bekam, und 899 seine Leiche – aber im Lexikon für Theologie und Kirche 1995 gar keinen eigenen Platz mehr: der ganze Artikel über das Kloster »St. Emmeram«, 1931 noch doppelt so lang wie der über den Heiligen selbst, entfällt jetzt.
Wie auch immer: die Emmeramer Mönche ehrten das Andenken ihres Wohltäters, indem sie alljährlich an seinem Todestag ein feierliches Amt begingen und das Jahr über in seinem Namen Erfindungen und Fälschungen von Urkunden wie die, daß er ihnen die gesamte Neustadt vermacht haben sollte. Vor all diesen Gaunereien trat sogar »der eigentliche Klosterpatron Emmeram für lange Zeit immer mehr in den Hintergrund« (Babl). Gleichwohl – auf den Kleinhelfendorfer Legendentafeln (und wahrlich nicht nur dort) lebt er weiter:
»Gott loben ohne Zung,
Macht ja Verwunderung.
Es kunte die gottlose Rott
Auch diss nicht länger leyden
Das er nun immer lobet Gott,
Thuet ihm die Zung abschneiden.
Doch lobet er Gott noch immer fort,
Last unß diss Wunder loben,
Alß wär die Zung am alten Ohrt,
Fragt nichts nach Wüttrichs Toben.« 11
»...ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel«
Arnulf, geprägt durch die Waffengänge in den südöstlichen Marken, war nach der Enthebung einiger Grenzgrafen von seinem Vater, dem Bayernkönig Karlmann, kurz nach 876 mit der Verwaltung des alten slowenischen Herzogtums Karantanien betraut worden, seiner eigentlichen Machtbasis im Osten; daher ja auch sein Beiname »von Kärnten«. Doch während er in Unterpannonien auszugreifen vermochte, scheiterte er (mit seinem gelähmten Vater) im nördlichen Donauraum zunächst an der innerbayerischen Opposition. Seine Gegner, erst Graf Ermbert vom Isengau, dann Markgraf Aribo, gewannen die Unterstützung von Arnulfs mächtigen Verwandten, Ludwig dem Jüngeren und Karl III. dem Dicken, den Brüdern seines Vaters, die sich in Bayern durchsetzen konnten.
Immerhin hatte Arnulf politisch taktieren, hatte er abwarten und, natürlich, kämpfen gelernt. Er war als Haudegen erprobt, u.a. 882 bei Elsloo als Befehlshaber des bayerischen Heerbanns gegen die Normannen, wo man freilich nichts hatte ausrichten können (S. 277), während er sie Mitte Oktober 891 bei Löwen an der Dyle (heute Belgien) schlug. Übrigens ein erklärter Racheakt. War doch kurz zuvor im Juni an der Geule ein »Heer der Christen, o Schmerz, als Folge seiner Sünden« besiegt worden und unter vielen Vornehmen auch einer der Heerführer, der von Arnulf eingesetzte Erzbischof Sunderold von Mainz, gefallen (Regino von Prüm). 12
Nun aber, an der Dyle, verlieh »Gott vom Himmel herab ihnen Kraft«. Umso offensichtlicher, als die gleichfalls aufgebotenen Alemannen zuvor unter Ausreden umgekehrt und »vom König nach Hause zurückgeschlichen sind«. Wie markig aber putschte er »die edlen Herren der Franken« auf: »Ihr Männer, da Ihr den Herrn verehrt und allezeit, wenn Ihr unter Gottes Gnade die Heimat verteidigtet, unbesieglich gewesen seid, fasset Mut, wenn Ihr daran denkt, an den ja doch ganz heidnisch rasenden Feinden das vergossene fromme Blut
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