Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Gegner des Formosus den Bischof Sergius von Caëre (heute Cerveteri), einen Grafen von Tusculum, zum Papst. Doch noch vor seiner Weihe brachte ein Straßenkampf – mit Hilfe Lamberts von Spoleto, den Formosus 892 zum Kaiser gekrönt – den Kandidaten der Formosianer, Johann, auf den begehrten Thron, den Gegenpapst Sergius erst 904 besteigen konnte. Während dieser samt seinen verjagten Gewalthorden in Tuszien unter dem Schutz des dortigen Markgrafen Adalbert stand, bereit bei jeder Gelegenheit über Rom herzufallen, exkommunizierte Johann IX. (898–900), ein von Formosus zum Priester geweihter Benediktinerabt aus Tivoli, die Sergianer inzwischen.
Johann IX. ließ auch nochmals durch ein Konzil in Ravenna die Leichensynode verdammen. Einerseits wurden die von Formosus geweihten, durch Stephan VI. aber gefeuerten Geistlichen wieder in ihre sogenannten Würden eingesetzt, andererseits Stephans VI. Handlanger bei Formosus' Leichenschändung aus der Kirche ausgeschlossen. Exkommuniziert und depossediert wurde auch Presbyter Sergius, der im Dezember 897 Gegenpapst zu Johann IX. war, 904 jedoch rechtmäßiger Papst geworden ist (S. 478 ff.).
Leider verfügte Kapitel 7 der Synode von Ravenna, die Akten der Leichensynode zu verbrennen. Aber diese Kirche hat stets gern verbrannt, Menschen, Gotteshäuser, Schriften; vor allem systematisch und von früh an Traktate der »Ketzer«, doch auch Texte der Heiden und Juden; sogar aktenmäßig dokumentierte eigene Schandtaten, die Akten des Konzils von Rimini 359 etwa (I 393 ff.), des Konzils von Ephesus 449 (II 220 ff.), des Konzils von Konstantinopel 867 (S. 223). Und Verbrennen wurde in der Gemeinschaft der Heiligen selbstverständlich nie verboten. Dagegen verbot man, was für sich spricht, gleich durch Kapitel 1 der ravennatischen Versammlung, für alle Zukunft das Zitieren von Toten vor Gericht. 40
Kaiser Lambert und Kaiser Arnulf sterben, die Ungarn überfluten Norditalien
Johann IX. kollaborierte im übrigen mit dem jungen Lambert von Spoleto, als dessen Schützling er auch Papst geworden war. Somit erklärte er Lamberts Kaiserkrönung als rechtskräftig »für ewige Zeit«, während er die Arnulfs als »barbarische«, vom Papst »durch Betrug erpreßte« ganz verwarf. Und er arbeitete ihm desto lieber in die Hand, als Lambert nicht nur unbestritten dem größten Teil Italiens gebot, sondern auch Arnulf ohnmächtig und todkrank in Deutschland dahinsiechte. Denn vom 4. bis ins 20. Jahrhundert, vom hl. Konstantin I., »Signatur von siebzehn Jahrhunderten Kirchengeschichte« (I 5. Kapitel), bis zu Hitler (s. dazu Bd. II der »Politik der Päpste im 20. Jahrhundert«), schreitet die Heilsgeschichte gern im Gleichschritt mit der Heil-und-Sieg-Geschichte.
Dasselbe Konzil, das die Akten der Leichensynode kassierte, erklärte so auch die Kaiserkrönung des »Barbaren« Arnulf für nichtig. Dagegen machte man, anscheinend ebenfalls in Ravenna, dem vermutlich selbst anwesenden Kaiser Lambert einige Zugeständnisse, wofür dieser allerdings Roms Privilegien, zumal seinen Territorialbesitz, garantieren mußte. In nicht weniger als einem halben Dutzend Kanones fordert der Papst die Rückgabe der seinem Stuhl entfremdeten Liegenschaften, seine Rechte, und versäumte auch nicht, allen die Exkommunikation anzudrohen, welche die Zehntleistung verweigern. Hab und Gut sind den Hierarchen heilig, gewöhnlich das Allerheiligste (indes »Zynikern« wie unsereinem natürlich nichts heilig ist). 41
Kaiser Lambert aber, jung, begabt, schön, starb jäh Mitte Oktober auf der Eberjagd in der Gegend des oberen Po; angeblich durch einen Sturz vom Pferd. Doch Bischof Liutprand von Cremona verrät uns, was auch andere alte Quellen bestätigen, daß der Unfall fingiert gewesen, der Kaiser in Wahrheit ermordet worden sei. Im Marengo, in einem Wald »von ungewöhnlicher Größe und Schönheit, besonders für die Jagd geeignet«, habe ihn während eines kurzen Schlummers sein Begleiter Hugo umgebracht, der Sohn des von Lambert getöteten Mailänder Grafen Maginfred, um seines Vaters Tod zu rächen, und dies später auch gestanden. »Er fürchtete nicht«, schreibt Bischof Liutprand, »die ewige Verdammnis, sondern brach unter Aufbieten aller Kraft mit Hilfe eines starken Astes dem Schläfer den Hals. Denn mit dem Schwert ihn zu töten, scheute er sich, damit der offenkundige Befund ihn nicht als den Schuldigen am Verbrechen auswies.«
Da auch Kaiser Arnulf Ende des Jahres 899 in Regensburg seinem
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