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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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Berengar selber Kaiser – damals jedoch nur noch ein Ehrentitel in Italien, das Amt eine Farce. 42
    All die hier mehr angedeuteten Kämpfe um das »regnum Italicum« spiegeln den Zusammenbruch der karolingischen Dynastie. All diese Feldzüge, Handstreiche, Verschwörungen werden von Repräsentanten großer fränkischer Familien, werden von bekennenden Katholiken unternommen, von Arnulf, Wido, Lambert, Berengar, Ludwig dem Blinden. Und dieser ganze Niedergang des karolingischen Königtums hatte eine stetige Steigerung der bischöflichen Macht zur Folge – wie schon zuvor der Aufstieg der karolingischen Könige, und wie schon davor der Aufstieg und das Fiasko der Merowingerkönige! (Vgl. dazu IV.)
    Alle überlebte das perpetuelle Parasitentum der Kirche. Wo andere zugrunde gingen, gedieh sie, wie stets, so auch in dieser Epoche: durch Verleihung von Immunitäten, durch Übertragung der missatischen Gewalt (unter Karl dem Kahlen), durch Anhäufung des Besitzes. So war, zum Beispiel, schon unter Wido der Bischof von Modena zum tatsächlichen Herrn der Stadt geworden. Ebenso schalteten die Oberhirten von Cremona, Parma, Piacenza, Mantua faktisch selbständig; sie geboten über die Grafengewalt und das Steuereinkommen. Berengar, dessen Erzkanzler die Bischöfe Adalhard von Verona und Arding von Brescia waren, machte den Kirchen aus Liebe zu den Heiligen (und seinem Seelenheil) mancherlei Konzessionen. Und unter Lambert nahmen die großen Schenkungen an den Klerus noch zu. Gerade die Bischöfsstädte waren wirtschaftlich und verwaltungsmäßig dem Einfluß des Königtums fast entzogen, dessen Macht sich auch dadurch entsprechend verminderte. »Anarchie, Rechtlosigkeit und Rechtsunsicherheit sind das Merkmal der Zeit, erwachsen auf dem Boden des feudalen Aufbaus der Gesellschaft, begünstigt durch die Schwäche und den beständigen Wechsel der Zentralgewalt ...« (L.M. Hartmann). 43
    War aber die Zentralgewalt stark, profitierte die ewig opportunistische Ecclesia ebenfalls davon. Und war die Zentralgewalt schwach, profitierte der ewig machtgierige Klerus davon erst recht, wie die Geschichte auch unter dem Sohn und Nachfolger Kaiser Arnulfs lehrt.

7. Kapitel

König Ludwig IV. das Kind
(900–911)
    »Eine eigenständige Regierung vermochte das stets kränkelnde Kind aber nicht zu verwirklichen. Die Herrschaft ging auf Adel und Episkopat über. Entscheidende Berater waren Erzbischof Hatto von Mainz und Bischof Salomo von Konstanz.«
    Alois Schmid 1

    »Von der Tätigkeit der Laienfürsten im Reichsregiment melden die Annalisten nichts«.
    Schur 2

    »In dieser überaus verdorbenen Zeit sind in der Kirche viele Schandtaten begangen worden und werden noch begangen ...«
    Abt Regino von Prüm 3

Nach dem Tod Kaiser Arnulfs wurde sein einziger ehelicher Sohn, der erst sechsjährige Ludwig, in der Reihe der ostfränkisch-deutschen Könige: Ludwig IV. (893–911), am 4. Februar 900 in Forchheim offiziell zum König erhoben – die erste gesicherte Königskrönung ostfränkisch-deutscher Geschichte. Arnulf hatte die Großen des Reiches (ohne die seit 895 selbständigen Magnaten Lotharingiens) schon 897 eidlich auf Ludwigs Nachfolge verpflichtet, dessen Regierung jedoch nur nominell sein konnte. Und im folgenden Monat huldigte ihm auch die lotharingische Aristokratie, freilich nur in der Hoffnung auf möglichst große Eigenmächtigkeit.
    Die erhofften indes auch andere, zumal die zunehmende Aktivität eines selbstbewußteren Adels, seine wilden Fehden und Rivalitätskämpfe, dem Im-Trüben-Fischen eher förderlich war. Dabei wurden allerdings im Ringen um die Führung zugunsten von einigen wenigen noch weiter aufsteigenden Adelsfamilien namhafte andere ausgerottet, besonders in Franken und Lotharingien. 4

Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

    Hatte schon Ludwigs IV. Vater, der König und Kaiser, eng mit der Kirche kooperiert (S. 297 ff.), hatten beide ihre Macht im Kampf mit dem Hochadel gefestigt, so regierten für den unmündigen Priesterzögling Ludwig jetzt beinah ausschließlich Prälaten. Sie waren im Lauf des 9. Jahrhunderts immer mächtiger geworden und nahmen nun, durch kein starkes Königtum mehr eingeengt, das Steuer des Reiches begierig in die Hand.
    Zwar bildete der kleine König, der schon bald in der Geschichtsschreibung den Beinamen »das Kind« (infans, puer, adolescens) bekam, rein äußerlich den Mittelpunkt, gruppierte sich das staatliche Leben um ihn, zelebrierte man in seinem Namen auch das

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