Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
»gewöhnlichen Territorialbistum herabgesunken« ist,
von vornherein viel harmloser
als eines von weltumspannender Bedeutung!
Das arme Papsttum. Schuldlos wie stets. Opfer bloß des »wilden und herrschsüchtigen Adels« (immerhin ja eines ganz christlichen, ganz römisch-katholischen Adels) – »seitdem es keinen Kaiser mehr gab ...« Doch waren die Herrscher des »saeculum obscurum«, die Ottonen und Salier, keine Kaiser? Regierte nicht gar ein Heiliger, Heinrich II.? (Der freilich drei Kriege gegen das schon gut katholische Polen führte – und dies auch noch an der Seite der heidnischen Liutizen!) Das Papsttum »schutzlos ausgeliefert ...« Und als es nicht mehr schutzlos, als es stark, immer stärker, »universal«, eine Weltmacht war? Da rang es mit den Kaisern um die Weltherrschaft – hundertmal gefährlicher nun, tödlich. Doch durchaus nicht »tödlich«, als einige seiner Repräsentanten einander umbrachten – tödlich, als es die Völker umbringen ließ! Als man schrie »Gott will es!« Im Mittelalter, 1914, 1941. Und immer wieder dazwischen. 47
Doch wie stand es in Rom zur Zeit der Karolinger, der Ottonen, der frühen Salier?
Die Turbulenz jener Jahre, die Anarchie interner Parteifehden macht den Mangel an Dokumenten verständlich. Von nicht wenigen Päpsten ist vieles ungewiß. Von etlichen steht heute noch nicht fest, waren sie rechtmäßig oder nicht. Manche werden von manchen zu Gegenpäpsten erklärt, gelten aber im allgemeinen als legitim. Andere saßen nur so kurz auf dem Heiligen Stuhl, daß sie schon deswegen nie anerkannt wurden. Der römische Mönch Philipp resignierte noch am Tag seiner Wahl, am 31. Juli 768, und ging freiwillig wieder ins Kloster. Der Diakon Johannes regierte im Januar 844 gerade eine Stunde lang. Leo VIII. regierte von 963 bis 965; doch von Mai bis Juni 964 regierte auch Benedikt V. – und beide gelten als rechtmäßig. Andererseits wird Papst Christophorus, der anno 903 seinen unmittelbaren Vorgänger Leo V. nach nur 30tägiger Amtszeit ins Gefängnis warf und marterte, heute nicht mehr für so recht legitim gehalten, obschon ihn das ganze Mittelalter dafür hielt. Im übrigen flog auch Papst Christophorus bald ins Gefängnis, und dort hat sowohl ihn als auch seinen Vorgänger Leo V. ihr Nachfolger Papst Sergius III. erwürgt. 48
Nicht wenige Päpste kamen vorübergehend oder dauernd in den Kerker. So Stephan VI., der darin 897 stranguliert, Johann X., der 929 im Verlies der Engelsburg mit einem Kissen erstickt wurde; Benedikt VI., den dort sein Nachfolger, Papst Bonifaz VII., 974 durch den Priester Stephan erdrosseln ließ; Johann XIV., der 984 im Castel Sant' Angelo entweder verhungerte oder vergiftet worden, Stephan VIII., der im Kerker, scheußlich verstümmelt, 942 seinen Verletzungen erlegen ist. Hinter Schloß und Riegel gerieten auch die Päpste Benedikt III. (gest. 858), Johann XI. (gest. 936), Benedikt X. (gest. nach 1073).
Ins Kloster steckte man Konstantin II., dem man die Augen ausriß, Benedikt X., Christophorus, Johann XVI. Philagathos, den man ebenfalls geblendet, brutal an Nase, Zunge, Lippen, den Händen verstümmelt und danach auf einer Spottprozession durch Rom geführt hat.
Exiliert wurden Benedikt V. nach Hamburg, wo er bald darauf starb, und Gregor VI. nach Köln, wo er gleichfalls bald starb.
Und wie oft hat nicht einer den andern exkommuniziert! Johann XII. exkommunizierte 964 den entflohenen Leo VIII., Benedikt VII. anno 974 den flüchtigen Bonifaz VII., der Episkopat des Reiches im Jahr 997 Johann XVI., die Synode von Sutri 1059 Benedikt X. Alexander II. und Honorius II. exkommunizierten sich gegenseitig, Leo IX. exkommunizierte Benedikt IX. (er war der Neffe zweier Papstvorgänger und der einzige Papst, der das heilige Amt, jedenfalls de facto, dreimal hintereinander innehatte). Und Benedikt IX. wiederum exkommunizierte Silvester III., den er mit Schimpf und Schande aus Rom vertrieb, wie er zuvor selber aus Rom vertrieben worden war. Aus alledem möchte man im Heiligen Geist eine ziemlich konfuse Persönlichkeit vermuten. 49
Papst Sergius III. – Mörder zweier Päpste
Benedikt IV. war im Sommer 903 gestorben. Nach Mutmaßungen, die allerdings keine zeitgenössischen Quellen stützen, ließ ihn Berengar I., der König von Italien, beseitigen. Seine beiden Nachfolger überlebten bloß wenige Monate. Papst Leo V., der nur im August 903 regierte, wurde durch den Kardinal Christophorus, seinen Nachfolger, in den Kerker geworfen. Doch
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