Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
auch Christophorus (903–904) konnte den Heiligen Stuhl gerade bis zum nächsten Jahr einnehmen. Dann verdrängte ihn Sergius III. (904–911), ein gebürtiger römischer Aristokrat, früher Gegenpapst zu Johann IX., und kurz nach seiner Amtseinführung im Lateran von Johann abgesetzt, verdammt und verbannt. Unterstützt durch die Antiformosianer und Herzog Alberich I. von Spoleto, rückte Sergius mit einem bewaffneten Haufen gegen Rom vor, ließ sich zum Papst machen, Christophorus in eine Mönchskutte und zu dessen eigenem Opfer Leo V. hinter Schloß und Riegel stecken, womit in nur acht Jahren acht Päpste von der heiligen Bildfläche verschwunden waren.
Nachdem man auch die ihm feindlichen Kardinäle verjagt oder erschlagen hatte, erreichte Sergius nach siebenjährigem Exil endlich sein langverfolgtes Ziel und ließ alsbald seine beiden Vorgänger, Leo V. und Christophorus, im Kerker ermorden, angeblich aus Mitleid. Doch bei allem Mitgefühl für die heimgegangenen Kollegen, war Sergius nicht ohne Tatkraft und saß immerhin sieben Jahre auf dem ja doch recht heißen Stuhl.
Auch liebte dieser Papst bürokratische Genauigkeit, alles mußte seine Ordnung haben. Und so datierte er sein Pontifikat nach einer wenn auch kurzen ersten Amtszeit, die aus kaum viel mehr als seiner Einführung im Lateran im Dezember 897 bestand, aus dem ihn die Horden des Nachfolgers, Johanns IX., wieder vertrieben hatten. Als Freund des Leichenschänders Stephans VI. verdammte er jetzt sofort den toten Formosus erneut, erklärte alle seine Weihen – und Formosus hatte viele Bischöfe ernannt, die ihrerseits wieder viele Priester geweiht – für null und nichtig, entsetzte dessen Anhänger ihrer Ämter und drohte Widerstrebenden auf schon zum Auslaufen bereitliegenden Schiffen Verbannung und Tod an. Nur wenige widersetzten sich seinem Gewaltregiment, zumal der Adel hinter ihm stand. Dafür gab er auch die besten Pfründen seinen Parteigängern, den Führern der römischen Aristokratie.
Die Nonnen des Klosters Corsarum, denen er viele Grundstücke schenkte, ließ der Mörder zweier Päpste täglich hundert Kyrieeleison für seine Seele singen – wie vorteilhaft doch diese Religion ist! Ein Denkmal schuf sich der Mordspezialist durch den Wiederaufbau der nach Gottes unerforschlichem Ratschluß 897 von einem Erdbeben in Schutt gelegten Lateranbasilika. Und erst rund vier Jahrhunderte später ließ Gott der Herr den neuen Bau, in dem man lange, statt in St. Peter, fast alle Päpste begrub, in Feuerflammen untergehen.
Bescheidener erinnerte Papst Sergius auf Münzen an sich. Zwar prägten solche auch andere Heilige Väter, doch Sergius als erster Papst seit Hadrian I. (772–795) mit seinem eigenen Bild. Zwei Päpste hatte er umgebracht, doch sein Grabstein in St. Peter lobte ihn und seinen unerbittlichen Krieg gegen die »Wölfe«, die ihn sieben Jahre von seinem rechtmäßigen Thron ferngehalten. 50
Bemerkenswert auch das Eingreifen von Sergius in den sogenannten Tetragamiestreit.
Dieser Streit, der reichlich Irritationen stiftete, betraf die vier Ehen des byzantinischen Kaisers Leon VI. des Weisen (886–912). Der Schüler des berühmten Patriarchen Photios (den er, infolge persönlichen Widerwillens, gleich nach seiner Thronbesteigung durch den eigenen jungen Bruder Stephanos ersetzte) hatte die Jahre zuvor (883–886) im Gefängnis verbracht wegen einer Konspiration gegen seinen Vater Basileios I. (Derlei kennen wir ja auch aus den christlichen Herrscherhäusern des Westens zur Genüge.)
Indes war dies nicht das einzige Problem des seit 886 regierenden Byzantiners, des Schwiegervaters Kaiser Ludwigs des Blinden, dem Berengar in Verona hatte die Augen herausreißen lassen (S. 338 f.). Auch solche Dinge quälten Leon kaum. Wohl aber seine Ehen. Durch drei Gattinen war er zu keinem Nachkommen gelangt. Dabei hatte das byzantinische Eherecht bereits eine dritte Frau untersagt, doch Patriarch Antonios Kauleas (893–901) den Regenten noch einmal dispensiert. Die Kaiserin Eudokia Baiana starb indes samt ihrem neugeborenen Sohn im Jahr 901 im Kindbett. Darauf zeugte der Monarch mit seiner Maitresse Zoe Karbonopsina einen Sprößling, Konstantin (VII.), und machte die Mutter, entgegen dem von ihm selbst erlassenen Gesetz, das schon die dritte Ehe verbot, Anfang 906 zu seiner vierten Frau.
Nun war Leon der Weise – berühmt durch den Abschluß der von seinem Vater eingeleiteten Rechtskodifikation, eines gewaltigen Werkes in 60 Bänden,
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