Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
der Dänenkönig Harald Klak, um des Kaisers Unterstützung zu gewinnen, samt Gefolge taufen. Auf seiner Rückreise nahm er den einst als Frühwaise ins Kloster Corbie gesteckten Mönch und Missionar Ansgar, wohlversehen mit »Reisealtar und Reliquien« (Walterscheid), nach Dänemark mit, hat es aber kaum noch betreten, sondern sich in der ihm übereigneten Grafschaft Rüstringen in Friesland gleich niedergelassen. Als dann Ludwig 831 auf dem Reichstag zu Diedenhofen das Bistum Hamburg als Missionssprengel für Dänen, Schweden und Ostseeslaven gründete, Ansgar zum Bischof machte und ihm Papst Gregor IV. – wie Vorgänger Paschalis I. dem Ebo – 831/832 die »Missionsvollmacht« verlieh, ging Ebo nun Ansgar zur Hand. Doch wenige Jahre darauf saß Erzbischof Ebo – gerade noch vom Papst als Legat mit der »Oberhoheit« über den anderen Legaten, den hl. Ansgar, betraut, des öfteren in Haft, wiederholt im Kloster Fulda, auch in Lisieux und Fleury (S. 91). Und Ansgar war inzwischen zwar Erzbischof, doch die Stoßkraft des Frankenreiches unter Ludwig, zumal seit seinen letzten Jahren, stets schwächer geworden.
Dänische Wikinger hatten 845 Hamburg überfallen, hatten den Dom, das Stift (das 964 als Gefängnis für Papst Benedikt V. diente), die Bibliothek, die Stadt in Flammen aufgehen lassen und die Kirchenschätze geraubt. Ansgar aber, der »Apostel der Wikinger« (Walterscheid), mit knapper Not samt hl. Reliquien entkommen, tröstete sich mit Hiob: »der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen« und mit der »frommen Matrone Ikia«, die den Flüchtling auf ihrem Gut aufnahm. Er wurde Bischof in dem seit 845 vakanten Bremen, der neuen Missionsbasis, aber einem Suffraganbistum Kölns, weshalb schwere jahrelange Streitereien mit Erzbischof Günther (seit 850) folgten.
Von Bremen aus entstanden jedoch einige, wenn auch recht bescheidene kirchliche Stützpunkte. So in Haithabu (Hedeby), einem bedeutenden Ort für Export/Import im nördlichen Schleswig-Holstein, wo der hl. Ansgar, von Ludwig dem Deutschen wiederholt als Gesandter benutzt, mit Erlaubnis König Horiks I. eine Kirche errichtete, »die den Handelsplatz zum bevorzugten Ziel christlicher Kaufleute ... werden ließ« (Radtke); in Ribe (dt. Ripen), der ältesten Stadt Dänemarks und (schon seit Beginn des 8. Jahrhunderts) ebenfalls ganz dem Merkantilen zugewandt, vermutlich auch der Münzprägung; und wahrscheinlich in Birka, einem reichen, relativ großen, wohl oft vom König aufgesuchten schwedischen Handelsort mit weitreichenden Verbindungen (meist Luxuswaren: wenig Raumverbrauch und viel Gewinn) vor allem nach Westeuropa, aber auch nach Rußland, Byzanz, dem Kalifat von Bagdad.
Vielsagenderweise lauter Handelszentren; denn Krieg und Kapital, das eine so eng mit der Heilsgeschichte verbunden wie das andere – bis heute. »Es ist bezeichnend für die Stellung Birkas, daß die christliche Mission – den Haupthandelswegen folgend – gerade an der einzigen stadtähnlichen und verhältnismäßig volkreichen Siedlung Schwedens ansetzte und dort erste, wenn auch vorübergehende Erfolge erzielte« (H. Ehrhardt).
Und bezeichnend auch: die Dänen, deren Reich seit etwa 800 bestand und Jütland, die Inseln sowie drei südschwedische Landschaften umfaßte, wollten vom Christentum nichts wissen. Noch zwei Jahrzehnte nach Königs Harald Klaks Taufe, anno domini 847, gab es in Ansgars eigener Diözese erst vier Taufkirchen. Und die dänischen Zöglinge für seine Missionsschulen mußte der hl. Erzbischof Ansgar – kaufen! Doch warum nicht. Schon vor zweieinhalb Jahrhunderten hatte selbst der hl. Papst Gregor I., »der Große«, der Kirchenlehrer, englische Sklavenknaben für römische Klöster gekauft (IV 183 ff.). Auch lieferte das christliche Europa lange und skrupellos Sklaven in orientalische Länder. Agiert neben der Macht doch gleich das Geschäft, ein Teil der Macht. Und nützt es dem Glauben nicht, den Gläubigen, ja, handelt man nicht auch und gerade – um Gottes willen? 43
Schließlich brach die Skandinavienmission restlos zusammen. Der Übertritt zum Christentum wurde einfach verboten. In ganz Dänemark gab es keine Kirche mehr, in Schweden, wo die Bevölkerung den Bischof schon viel früher vertrieb, jahrelang keinen christlichen Kleriker. (Aber mehr als ein Priester ist in jener Zeit in Schweden nie gewesen.) Man dachte sogar – nicht zum erstenmal – wieder daran, das Erzbistum Hamburg aufzulösen.
Doch im 10. Jahrhundert begann die
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