Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Prälaten ihren Diözesanen »als feindliche Vorposten im eigenen Land erscheinen. Und das sollten sie nach Ottos Plan ohne Zweifel auch sein« (A. Hauck). 45
Um das Christentum rissen sich die Dänen so wenig wie die Slawen im Osten. Anscheinend schon viel war erreicht, erachteten einzelne das Christenidol für nicht geringer als die eigenen Götter. Doch selbst solche »Erfolge« gediehen nur im Schatten deutscher Schwerter. Und als Harald Blauzahn die wilden Machtkämpfe in Norwegen nach König Harald Schönhaars Tod (um 930, er war der erste Alleinherrscher über ganz Norwegen) zu einem Kriegszug nutzte und das südliche Norwegen unter dänische Kontrolle geriet, da traten die christlichen »Glaubensboten« auch dort in Aktion – wie nach dem Sieg Heinrichs I. über die Dänen in Dänemark (S. 398 f.).
Die Tätigkeit der geistlichen Feudalherren und ihrer Missionare, ihr Einnisten erst auf dem Boden, dann in den Seelen der Überwältigten, Vergewaltigten, war für das Königtum von enormem Wert. Wo immer Otto losschlug, wo immer er wider Dänen, Slawen, Ungarn zu Feld zog und militärisch Fuß faßte, da wurzelte er sich durch die Kirche ein, da schuf er »auf den ihnen entrissenen Territorien Bistümer und Klöster als Stützpunkte seiner Macht« (Kosminski).
So 948 auf dänischem Territorium die Bistümer Schleswig, Ribe, Aarhus; im gleichen Jahr, und zwar noch vor der Christianisierung dieser Gebiete, die Slawenbistümer Brandenburg und Havelberg, die der Mainzer Erzbischof erhielt, sowie, erst später, das dem Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen unterstellte Oldenburg. Mit der Gründung des Erzbistums Magdeburg 968, errichtete man die Bistümer Merseburg, Zeitz und Meißen, schließlich 973, in Ottos Todesjahr, das Bistum Prag.
Erst der Militärschlag, dann die Mission, dann der staatliche »Anschluß«. War es doch Ottos »des Großen« offenbares Endziel, alle eroberten Länder »zunächst kirchlich und dann politisch dem Deutschen Reiche einzugliedern, wie es schon karolingische Praxis gewesen war« (Brackmann). Gerade das enge Kooperieren aber mit dem Klerus, die Kumpanei von Thron und Altar bei dem so ordinären wie blutigen Raubgeschäft en gros, gab den ottonischen Aus- und Übergriffen noch den Anstrich des Numinosen, die höhere Weihe, das Gottesgnadentum. Oder, wie man mit probatem Zungenschlag schrieb, die »Mission als Element« dieser Politik, die Verbreitung des Glaubens unter den Heiden, die »hehrste Kaiserpflicht«, konnte »Ottos Ansehen und seine dem Kaisertum zustrebende Stellung noch weiter sublimieren« (Hlawitschka). 46
Sublimieren –. Und Ottos Streben nach dem Höchsten im weltlichen Bereich bedurfte natürlich des Höchsten im geistlichen, des Hehrsten überhaupt, des Sublimsten, des Papsttums in Rom.
Das »finstere Zeitalter« zieht herauf
Als seien sie nicht samt und sonders finster gewesen! Zumindest auch finster. Vor allem finster. Doch die Zeit vom späten 9. Jahrhundert bis zur Mitte des 11. nennt man »saeculum obscurum« speziell. Obwohl andere Epochen – man kann es sich kaum genug einprägen –, in denen Rom unvergleichlich mächtiger und eben darum unvergleichlich gefährlicher war, für viele Völker viel finsterer gewesen sind, die Zeit der Kreuzzüge ebenso wie etwa das 20. Jahrhundert, in dem das Papsttum zwei Weltkriege sowohl mitverursacht als intensiv gefördert hat, desgleichen sämtliche faschistische Spielarten. (Auch an seine Assistenz im Vietnam-Krieg ist hier zu erinnern, an seine Anheizung des – nicht nur jüngsten – Balkankonflikts; erscheint doch eben jetzt, da ich dies schreibe, eine deutsche Tageszeitung mit der Schlagzeile: »Der Papst ruft zum Krieg auf.«)
Jene finstere mittelalterliche Zeit aber, suggeriert der katholische Kirchenhistoriker Franzen, habe nur der Adel verursacht! »Diesen allein trifft die Schuld an den traurigen Verhältnissen; denn ihm war das Papsttum schutzlos ausgeliefert, seitdem es keinen Kaiser mehr gab.«
Der Adel der Sündenbock, das Papsttum einmal mehr salviert – in einer Kirchengeschichte des Herder Verlags, die »die neuesten Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung, die das geschichtliche und theologische Bewußtsein unserer Zeit zum Teil ganz erheblich verändert haben, ... überall berücksichtigt und verarbeitet«. Die neuesten Erkenntnisse? Das sind da
im Wesentlichen
doch stets dieselben alten armseligen Apologetenausflüchte. Zudem ist ein Papsttum, das, wie Franzen klagt, zum
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