Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
978 aber drang er im Gegenangriff mit einem Heer vor, in dem nicht nur Herzog Karl von Niederlotharingien, sondern auch wieder ein wirklicher Heiliger, der hl. Wolfgang, kämpfte – ausgebildet an der Reichenauer Kloster-, an der Würzburger Domschule; durch den Helden von Augsburg, Bischof Ulrich, Priester; auf Veranlassung vor allem des großen Urkundenfälschers Bischof Pilgrim seit Januar 973 Bischof von Regensburg; 1052 heiliggesprochen: Patron der Holzhauer, Zimmerleute, Hirten, Schiffer, Helfer bei Augen-, Fußleiden, Kreuzweh, doch auch »allgemeiner« Nothelfer. Als »Wolfgangs-Medaillen« vertrieb man später gern am Rosenkranz getragene Beile, die sogenannte Wolfgangshacke, »daher auch die Hackelbruderschaften«. Zu Lebzeiten förderte er »Frömmigkeit und Sittlichkeit des Volkes«, setzte überhaupt als Bischof »das strenge Leben des Mönchs fort; seine Zeit teilte er zwischen Gebet, Amtsarbeiten und Studium« (Lexikon für Theologie und Kirche) – und gelegentlichen kleinen Kriegszügen, wie eben damals wider die bösen Westfranken (Franzosen).
Der Magdeburger Kanoniker und emsige Missionserzbischof Brun von Querfurt verurteilte allerdings unter dem Eindruck der Cluniazensischen Reformen wie persönlicher Animositäten den Überfall des Königs auf Frankreich und schrieb: »Es wäre besser, eifrig die Heiden zu bekämpfen, anstatt ein stattliches Heer gegen die christlichen Brüder, die karolingischen Franken zu sammeln.« Ein katholischer Pazifist und Heiliger, wie er im Buch steht: »Vertrat das Prinzip der friedlichen Überzeugungsmission, ohne den Missionskrieg rundweg abzulehnen« (Lexikon für Theologie und Kirche).
Otto II. stieß im Herbst 978 bis fast nach Paris vor, »alles verwüstend und niederbrennend« (Thietmar), Kirchen und Klöster aber schonend. Ja, er beschenkte sie und betete darin; zerstörte allerdings auch die alten karolingischen Pfalzen Attigny, Soissons und Compiègne, ein empfindlicher Verlust an Machtsubstanz westlichen Königtums. Und ehe ihn der nahe Winter, Nahrungsmangel, ausbrechende Krankheiten im November zum Rückzug zwangen, versammelte er alle Pfaffen seines Heeres auf dem Montmartre und ließ sie noch ein Halleluja über die Stadt donnern.
Auch der hl. Wolfgang schrie seinerzeit mit, der so beredte Prediger eines lebendigen Evangeliums: »Sehet, das wirkt der Glaube, solche Früchte trägt er.« Und als er beim ruhmreichen Rückzug über die angeschwollene Aisne ins Wasser sprang, folgten ihm die Seinen vor den nachsetzenden Franzosen. »Niemand kam dabei um das Leben«, melden Wetzer/Welte – fast ein Wunder. In Wirklichkeit freilich erlitt der ottonische Troß hier eine Schlappe, die sich der französischen Geschichtsschreibung gar zum Triumph verklärte, während die deutsche schrieb: »Der Kaiser kehrte mit Siegesruhm bedeckt heim ...« (Thietmar). Beide Seiten siegten – auch das kennen wir noch.
Karl, der Herzog von Niederlotharingien, versuchte die Stunde zu nutzen und proklamierte sich 979 in Laon zum König, scheiterte indes wie immer, vor allem an den Machtstrukturen im Westfrankenreich, nicht zuletzt auch am Episkopat, der ihm u.a. sein Vasallentum bei einem fremden Fürsten sowie seine »Mißheirat« vorhielt. König Lothar aber gab infolge innerer Schwierigkeiten bei einer persönlichen Begegnung mit Kaiser Otto im Mai 980 in Margut-sur-Chiers (bei Ivois) angeblich seine Ansprüche auf Lotharingien gänzlich auf. Doch bald nach Ottos Tod sicherte er sich ein Faustpfand. Er besetzte 984 Verdun und wiederholte nach seiner Vertreibung die Besetzung im nächsten Jahr. 8
Auch der Kampf um den Thron ging weiter. Noch mehrmals griff Herzog Karl nach der Macht. Mag sein, daß er gelegentlich etwas extravagant vorging, wenn er etwa bei der Einnahme Cambrais – es blieb nicht unbezweifelt – sofort nach Verjagung der Grafen die teure Gattin rief, um mit ihr in rauschenden Orgien den Reichtum des Prälatenhofes zu verprassen und im bischöflichen Bett zu schlafen; aber so ungewöhnlich war das ja wohl nicht.
Karls letzter Kraftakt, wobei er wiederholt auch Bischof Adalbero aus Laon verscheuchte, endete in eben dieser Festung, nachdem sich der Prälat in alter Pfaffenschläue mit Karl ausgesöhnt, mehr und mehr befreundet und diesem »mit den heiligsten Eiden« (Glocker) seine Treue versichert hatte. Doch in der Nacht nach dem Palmsonntag im März 991 lieferte Bischof Adalbero die Festung samt Karl dessen damaligem Gegenspieler, dem französischen
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