Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
findet sie es »schwer, auch annähernd den Inhalt der Ausführungen Deschners anzugeben« (149). Warum? Wohl weil der Inhalt selbst, in zehn Zwischenüberschriften doch präzisiert und dementsprechend genau referiert, ihr mißfällt, ebenso die unakademische Direktheit der Darstellung, die sie »populär« nennt, »sogar populistisch« (159), von »starker Tendenziösität geprägt« (149), zu der ich mich in meiner »Einleitung zum Gesamtwerk« bereits nachdrücklich bekannte (Band I, 36 ff.). Und mahnt sie zum Abschluß ihres Berichts zu einem vorsichtigen Umgang mit der Geschichtsschreibung, kann ich nur energisch beipflichten!
Maria R.-Alföldis Versuch steht im Dritten Teil, den der Herausgeber »Exemplarische Einzelkritik« tituliert. Exemplarisch, pars pro toto, unterziehe ich diesen Aufsatz jetzt, dicht am Text bleibend, einer Einzelheitenkritik. Notwendig muß solche Kritik der Kritik Kleinigkeiten aufgreifen, muß daraus fast zwangsläufig eine etwas mühselige Lektüre werden. Manches mag krittelsüchtig, pedantisch, spröd wirken. Anders aber geht es kaum, soll die Entgegnung überzeugend sein. Viele Steinchen ergeben so immerhin ein klar konturiertes aussagefähiges Mosaik, an dem die Geister sich scheiden mögen. »Man liest, daß Konstantin seine Abstammung gefälscht hat ...« (149). Man liest's. Na und? Ist's falsch? Das sagt die Autorin nicht. Sie suggeriert es nur – ein Nadelstich, Bestandteil der Taktik, mich unterschwellig unglaubhaft zu machen, zu disqualifizieren. Daß Konstantin, um die Mitherrscher als Usurpatoren abzustempeln, seinem Vater Konstantius Chlorus eine viel edlere Aszendenz andichten, daß er den Heiden und, nach Kirchenvater Laktanz, sogar Kirchenzerstörer, als Christen ausgeben ließ, verhehlt sie und bagatellisiert die gefälschte Abstammung als »zeitweiliges Propagandamanöver« (149). Man liest, er habe, fügt sie hinzu, »seine Vorfahren kompromittierend gefunden«. Na und? Ist's falsch? (Siehe oben)
»Seine Mutter Helena wird mit allem Klatsch bedacht, die [!] eine mißgünstige Meinung je zutage fördert; sie war seinerzeit situationsabhängig und natürlich standesbedingt. Deschner kriecht ihr unbesehen auf den Leim« (149).
Erneut ignoriert Frau Alföldi die Gründe für diese »mißgünstige Meinung«. Sie nennt sie »situationsabhängig« (was Meinung meistens ist) und, was sie hier ja nicht abschwächt, »standesbedingt«. Wobei sie abermals verschweigt, daß auch prominente Prälaten den »Klatsch« kolportierten, daß deswegen Konstantin Bischof Eustathius von Antiochien auf Nimmerwiedersehen exiliert, daß Kirchenlehrer Ambrosius gar von Helena sagt, Christus habe sie »von der Miste auf den Thron erhoben«.
»Die ersten Regierungsjahre des jungen Kaisers im Westen sind nichts als schreckliche Kriege gegen armselige Germanen, die dann, gefangengenommen, erbarmungslos abgeschlachtet werden.« Alles scheint da von mir grausig übertrieben, nicht wahr, wird aber wieder nicht gesagt. Denn alte Quellen wie neue Untersuchungen bestätigen, Konstantins Barbarei war schon seinerzeit ungewohnt, furchtbar. Doch liebt die Kritikerin diskrete Andeutungen, tadelnde Beiklänge, die mich als historischen Obskuranten hinstellen, ohne daß sie, dezente Tücke, dies ausspricht; obwohl sie auch davor, unter dem Druck ihrer Beweislast, nicht zurückschreckt (vgl. S. 154, 156), ja meinen Text einfach fälscht (S. 150).
Konstantins Opfer Maxentius, meint sie, werde »trotz nachgewiesener Willkürherrschaft stets entschuldigt« (149). Stets? Als schriebe ich nicht auch von Maxentius, daß er »die Landbewohner schröpfte«, daß er »den bisherigen Steuerlasten neue hinzu«fügte – freilich »sein Geld in erster Linie eben dort« holte, »wo es fast unbegrenzt vorhanden war«; letzteres doch ein löbliches Unterfangen. Im übrigen: nicht ich entschuldige. Ich führe einen Forscher an, der im 28. Halbband der
Realencyclopädie
von Pauly-Wissowa so extensiv wie intensiv begründet, warum er Maxentius verteidigt – dessen Lage der »eines umstellten Wildes« glich (Groag).
Die christliche Seite allerdings schmäht den »gottlosen Tyrannen« beinah bis heute und verfälscht systematisch seine Biographie (vgl. S. 220 f.). Bereits der »Vater der Kirchengeschichte«, Bischof Euseb, den Jacob Burckhardt »den ersten durch und durch unredlichen Geschichtsschreiber des Altertums« nennt, behauptet zum Beispiel von »der blutigen Rohheit des Tyrannen« Maxentius: »Die Zahl der
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